Republikchefs gewinnen Wahlen in Ostukraine

Weiterhin Debatte um Legitimität der Wahlen / Regierung in Kiew erkennt »illegale« Abstimmung nicht an / Moskau: »Gewählte Vertreter haben ein Mandat bekommen«

  • Lesedauer: 6 Min.

Update 14.40 Uhr: Russland hat die Führung in Kiew zu sofortigen Verhandlungen mit den Separatisten in der Ostukraine aufgefordert. Die ukrainische Regierung müsse ihre militärische »Anti-Terror-Aktion« für beendet erklären und mit den Anführern der »Volksrepubliken« Donezk und Lugansk einen gleichberechtigten Dialog beginnen, sagte Vize-Außenminister Grigori Karassin am Montag in Moskau. Er bekräftigte, dass Moskau die Abstimmung der prorussischen Aufständischen anerkenne.

Sollten die EU und die USA auf die Anerkennung der Wahl durch Russland mit weiteren Sanktionen reagieren, wäre das ein großer Fehler. »Russland ist wegen der Ukraine-Krise bereits seit Monaten mit westlichen Strafmaßnahmen belegt. Aber außer, dass die russische Gesellschaft noch enger zusammengerückt ist, haben diese Maßnahmen nichts bewirkt. Bei Konflikten sind Sanktionen absolut kontraproduktiv«, sagte der Vize-Außenminister.

Update 13.10 Uhr: Das russische Außenministerium teilte mit, dass es weiter mit den internationalen Partnern konstruktiv zusammenarbeiten wolle, um eine Lösung für den Konflikt zu finden. Die Wähler in der Ostukraine hätten ihren Führungen aber auch ein klares Mandat ausgestellt, die Region wieder aufzubauen. Die gewählten Kräfte seien nun außerdem legitimierte Ansprechpartner für einen Dialog mit der prowestlichen Führung in Kiew.

Update 12.15 Uhr: Die prorussischen Separatisten haben ihre Anführer Alexander Sachartschenko in Donezk und Igor Plotnizki in Lugansk bestätigt. Die beiden bisherigen »Republikchefs« hätten bei den Abstimmungen in den »Volksrepubliken« Donezk und Lugansk jeweils die meisten Stimmen auf sich vereint, teilten die »Wahlleitungen« am Montag mit. Nach Auszählung aller Wahlzettel siegte demnach Plotnizki mit 63,8 Prozent der Stimmen gegen seine drei Mitbewerber. Sachartschenko wurden 75,63 Prozent zugesprochen. Er hatte zwei Gegenkandidaten.

Die nach Moskau orientierten Separatisten betonten, dass die Abspaltung von der Ukraine nun vollzogen sei. »Wir haben jetzt eine legitime Führung. Der Donbass gehört nicht mehr zur Ukraine - ob das jemandem nun gefällt oder nicht«, sagte »Wahlleiter« Roman Ljagin in Donezk. Die Amtseinführungen von Sachartschenko und Plotnizki sind an diesem Dienstag (4. November) geplant.

Die Bundesregierung erkennt die umstrittenen Wahlen im Osten der Ukraine nicht an. Regierungssprecher Steffen Seibert bezeichnete die Wahlen in Donezk und Lugansk am Montag in Berlin als »illegitim«. Er sprach von Verstößen gegen die ukrainische Verfassung und auch gegen die Vereinbarungen zur Beilegung des Ukraine-Konflikts von Anfang September in Mink. Darüber hinaus sei auch der Ablauf der Wahlen am Sonntag »überaus fragwürdig« gewesen. Laut Seibert würden durch die Wahlen die Bemühungen zur Lösung des Konflikts weiter erschwert. »Es ist umso unverständlicher, dass es offizielle russische Stimmen gibt, die diese Wahl respektieren oder anerkennen.« Russland müsse alles dafür tun, dass die Vereinbarungen von Minsk endlich umgesetzt würden. Neben der Europäischen Union und haben auch die USA bereits angekündigt, die Wahlen nicht anzuerkennen.

Update 8 Uhr: Der SPD-Europaabgeordnete Knut Fleckenstein hat die ukrainische Regierung aufgefordert, den Dialog mit den Aufständischen im Osten des Landes zu suchen. Auch wenn der Westen die Wahlen in der Ost-Ukraine nicht anerkenne, müsse Kiew mit den dortigen Anführern reden, erklärte der Fraktions-Vize der Sozialdemokraten im EU-Parlament am Montag im rbb-Inforadio. Es gebe eine große Gruppe von Menschen russischer Herkunft, die die Westorientierung Kiews mit großer Skepsis beobachteten, sagte Fleckenstein. »Diese Menschen müssen glaubhaft überzeugt werden, dass sie nicht die Verlierer dieses Prozesses sind. Insofern hängt eine große Verantwortung an der Regierung in Kiew, die Gespräche zu führen, die notwendig sind, um die Einheit des Landes nicht nur formal, sondern auch wirklich wieder herzustellen.« Fleckenstein wiederholte dabei die Position der EU, die Wahlen nicht anzuerkennen: »Eine Volksrepublik, die es nicht gibt, kann auch kein Staatsoberhaupt wählen.«

Update 7.25 Uhr: Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat Russland nach den umstrittenen Wahlen in der Ostukraine davor gewarnt, die Separatisten weiter zu ermuntern. »Ich hoffe, dass Russland jenseits der öffentlichen Erklärungen nichts unternimmt, um das Wahlergebnis zum Anlass zu nehmen, die Separatisten in der Ostukraine zu ermuntern, ihren Weg in die Unabhängigkeit tatsächlich fortzusetzen«, sagte Steinmeier am Montag am Rande eines Besuchs in Indonesien. Russland Haltung sei eine Belastung für den Entspannungsprozess. »Wir werden Russland an den Aussagen messen, die auch Präsident (Wladimir) Putin in Mailand wiederholt hat: dass er zur Einheit der Ukraine steht und dass Russland diese Einheit nicht infrage stellen wird«, sagte er. Anfang September hatten die Konfliktparteien in der weißrussischen Hauptstadt Minsk eine Feuerpause und Maßnahmen zur Lösung des Konflikts vereinbart. Diese Minsker Vereinbarung sei nach wie vor Richtschnur der weiteren Entwicklung, sagte Steinmeier. Die Wahlen verstießen dagegen, »deshalb können wir diese Wahlen nicht anerkennen«, sagte Steinmeier in Jakarta.

Der OSZE-Vorsitzende Didier Burkhalter hatte zuvor erklärt, in Minsk hätten die Aufständischen mit ihren Unterschriften unter die Waffenstillstandsvereinbarungen bestätigt, dass das Verfahren nach ukrainischen Gesetzen vonstatten geht. Die Rada in Kiew hatte Zugeständnisse gemacht, ein Gesetz verabschiedet, in dem es um weitgehende Autonomierechte ging, um eine eigene Miliz beispielsweise, um eine Abstimmung zu Regionalräten, die im Dezember stattfinden sollte. An diese Verabredungen hätten sich die »Volksrepubliken« Donezk und Lugansk aber nicht gehalten, so der Schweizer Präsident Burkhalter.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow wurde hingegen mit den Worten zitiert, die Wahlen würden dem entsprechen, was in Minsk vereinbart wurde. »Im Donbass haben sich Strukturen entwickelt, die als Führung der ausgerufenen Republiken anerkannt wurden und gleichzeitig als Partner der Minsk-Vereinbarungen gelten.« Zusammen mit Kiew nähmen sie an den Gesprächen im Rahmen der OSZE-Kontaktgruppe teil. Die Unterschriften beider Ministerpräsidenten stünden unter den Vereinbarungen vom 5. und 19. September.

Republikchefs gewinnen Wahlen in Ostukraine

Berlin. Bei den Wahlen in der Ostukraine sehen sich die bisherigen Anführer der Aufständischen erwartungsgemäß als Sieger. Für die »Volksrepublik« Donezk wurde Alexander Sachartschenko als »Republikchef« bestätigt, in der benachbarten und ebenfalls nicht anerkannten »Volksrepublik« Lugansk gewann der »Amtsinhaber« Igor Plotnizki, wie die Wahlleitungen am Sonntag mitteilten.

Ungeachtet der noch laufenden Auszählung der Stimmzettel wurden die beiden Politiker am Abend zu Siegern erklärt. Die Endergebnisse sollen am Montagmorgen in Donezk bekannt geben wollen. Bis zum frühen Morgen (Ortszeit) waren etwas mehr als die Hälfte der Wahlzettel ausgezählt. Die beiden »Amtsinhaber« lagen aber uneinholbar vorn. Für Dienstag ist die Amtseinführung vorgesehen.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte die »illegale« Abstimmung für ungültig erklärt. Dagegen bekräftigte das russischen Außenministerium in einer Mitteilung, dass es den Willen der Wähler in der Ostukraine achte. Die Abstimmung sei bei hoher Wahlbeteiligung im Großen und Ganzen gut organisiert gewesen.

»Die gewählten Vertreter haben ein Mandat bekommen, die praktischen Aufgaben beim Wiederaufbau eines normalen Lebens in den Regionen zu erfüllen«, teilte die Behörde mit. Russland forderte die Donbass-Führung auf, mit der ukrainischen Regierung in Dialog zu treten. Nur so könne die Krise in der Ukraine gelöst werden, hieß es. Zuvor hatte Russlands Außenminister Sergej Lawrow angekündigt, dass Moskau die Wahlen anerkennen werde.

Die neue EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini bezeichnete die Wahlen in Lugansk und Donezk als »illegal und rechtswidrig«. Sie halte die Wahlen für ein neues Hindernis auf dem Weg zum Frieden in der Ukraine, teilte Mogherini am Abend in Brüssel mit. »Die Europäische Union wird die Wahl nicht anerkennen.« Die EU werde weiter daran arbeiten, die Krise in der Ukraine zu lösen. Die EU-Außenbeauftragte rief alle Parteien auf, die Unabhängigkeit und Einheit des Landes zu respektieren. dpa/nd

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