nd-aktuell.de / 31.03.2016 / Berlin / Seite 11

Kampfansage an Intensivtäter

Neukölln will mit neuem Konzept härter gegen kriminelle Kinder und Jugendliche vorgehen

Martin Kröger
Das Bezirksamt Neukölln will das sogenannte Neuköllner Modell der verstorbenen Jugendrichterin Kirsten Heisig fortführen. Dass dafür der Datenschutz überwunden werden soll, stößt auf Unverständnis.

Es ist ein Extremfall. Bis zum Erreichen der Strafmündigkeit hat der 1999 geborene C. 24 Ermittlungsverfahren angehäuft, darunter Eigentumsdelikte, aber auch »Rohheitsdelikte«, also Körperverletzungen oder Raub. Die erste Straftat beging C. bereits mit neun Jahren. Pädagogischen oder präventiven Maßnahmen entzieht sich der Viertgeborene von zwölf Kindern, die fast alle von der Jugendgerichtshilfe betreut werden, bis heute. Rund 50 solcher Intensiv- und Schwellentäter wie C. gibt es gegenwärtig in Neukölln.

Um diese Kinder und Jugendlichen besser zu erreichen, hat das Bezirksamt Neukölln jetzt ein Handlungskonzept beschlossen, das am Mittwoch vorgestellt wurde. An der Präsentation der 16-seitigen Schrift nahm auch Innensenator Frank Henkel (CDU) teil. »Das Konzept bietet die Möglichkeit, kriminelle Karrieren frühzeitig zu beenden«, erklärte Henkel, der den Vorstoß des Jugendstadtrates Falko Liecke (CDU) ausdrücklich unterstützt.

Handlungsbedarf sieht der Bezirk trotz rückläufiger Intensivtäterzahlen in Neukölln. Kerngedanke des Papiers (siehe Kasten) ist der Aufbau einer Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendkriminalität, die bis zum Sommer beim Jugendamt angesiedelt werden soll. Mitarbeiter diese AG sollen die Familie, aus denen die kriminellen Jugendlichen stammen, aufsuchen und betreuen sowie die jeweiligen Problemfälle analysieren. Mit dieser behördenübergreifenden Kooperation will das Bezirksamt an das sogenannte Neuköllner Modell zur schnelleren Verfolgung von jugendlichen Straftätern der verstorbenen Jugendrichterin Kirsten Heisig anknüpfen. »Wir wollen die Idee, die Kirsten Heisig in Neukölln gepflanzt hat, weiterentwickeln«, sagte Liecke. Aus seiner Sicht ist das Modell in den vergangenen Jahren versandet. »Im schlimmsten Fall muss es die Konsequenz geben, das Kind aus der Familie zu nehmen«, forderte Liecke.

Die Kampfansage des Bezirks an die jugendlichen Kriminellen zielt insbesondere auf Familien ab, in denen gleich mehrere Kinder straffällig geworden sind. »In den Familien, aus denen sich jugendliche Gewalttäter entwickeln, liegen häufig schwierige soziale Lagen vor«, sagte die Bezirksbürgermeisterin von Neukölln, Franziska Giffey.

Damit Jugendamt, Schulen, Polizei, Staatsanwaltschaft sowie Migrantenvereine gemeinsam an einem Strang ziehen können, müssen nach Ansicht des Bezirks mit dem Einverständnis der Betroffenen sensible Daten ausgetauscht werden. Der Datenschutz ist ein Hindernis, sagte Giffey. Es gehe darum, wie man ein Stück weit den Datenschutz überwinden kann, weil er an dieser Stelle verhindere, dass die Behörden im Austausch Wissen teilen können.

»Eine solche Aussage stößt bei uns auf Unverständnis«, sagte die Sprecherin von Berlins Datenschutzbeauftragter Maja Smoltczyk dem »nd«. Zumal das Konzept selbst auf die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen verweise. Die Datenschutzbeauftragte will das Konzept nun prüfen. Auch die Grünen weisen die Kritik des Bezirks am Datenschutz zurück. »Bei Straftaten ist der Datenschutz durchlässig, die Behörden müssen nur gut organisiert sein«, sagte der Innenexperte der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Benedikt Lux.

Die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus fordert darüber hinaus, für Verbesserungen in dem Bereich noch mehr Personal im Öffentlichen Dienst einzustellen. »Wichtig ist neben der engen Kooperation eine bessere Betreuung der Jugendlichen«, sagte der Abgeordnete Hakan Taş.