nd-aktuell.de / 06.04.2016 / Kultur / Seite 14

Die Schrägen, die Schründe

Blatt für Walter Jupé

hds

Der gespenstische Anschein hatte etwas Zartes. Der Hinterhalt fühlte sich wohl in dieser Haut, die ihre Blässe wie ein kostbares Tuch trug. Walter Jupé war der Fritz Rasp des Adlershofer Fernsehens und der DEFA. Im Halbschattenwurf fühlte er sich heimisch. Die Stimme ein bohrendes Flüstern oder ein anherrschendes Quäken oder ein Fieseln - in die Höhe getrieben, wo das Lüftchen nicht weht, sondern sirrt. Und wenn diese Stimme sich senkte, dann ging der gesamte Körper ins gefährliche, betriebsame Lauern über (»Ware für Katalonien«, »Das Kaninchen bin ich«, »Dr. Schlüter«, »Spur der Steine«, »Hans Beimler - Kamerad«, »Die Gerechten von Kummerow«).

Von 1952 an war er dreißig Jahre auch ensembleprägender Spieler am Berliner Maxim Gorki Theater. Spillrig, streng, spukbeseelt. Im »Fernsehpitaval«, einer erfolgreichen DDR-Serie mit historischen Kriminalfällen, brillierte Jupé nicht nur als Hauptdarsteller, sondern auch, gemeinsam mit dem Anwalt Friedrich Karl Kaul, als Autor - von über vierzig Episoden. Der Hagere mit der hohen Stirn und dem linealstraff über den Kopf gezogenen Haar beherrschte in seiner Darstellung die Schrägen und Schründe deutschen Militärs, deutscher Bürokratie, deutschen Biedersinns. So kalt wie komisch. So aasig wie arrogant. So barsch wie buckelnd. Heute vor hundert Jahren wurde Walter Jupé, der 1985 starb, in Berlin geboren. hds