nd-aktuell.de / 07.05.2016 / Politik / Seite 2

Pfiffiger Richter

Andreas Fritsche

Dass Amtsrichter Andreas Müller aus Bernau bei Berlin die sofortige Legalisierung des Cannabiskonsums fordert, das ist keine Überraschung. Denn mindestens so berühmt wie seine harten oder auch pfiffigen Strafen für Neonazis ist, dass er über weiche Drogen nachgiebig - oder besser gesagt realistisch urteilt.

In der Bundesrepublik seien in den vergangenen 40 Jahren 500 000 Menschen wegen Cannabis eingesperrt worden. Polizei und Justiz müssen sich mit Kiffern beschäftigen, was sie von wirklich wichtigen Ermittlungen abhalte, rügt der 54-Jährige, dessen älterer Bruder Jonas kiffte und deshalb mit 15 Jahren von der Schule flog und jahrelang im Knast saß. Am Mittwoch hatte die Bundesregierung entschieden, dass Schwerkranke Cannabis ab 2017 auf Rezept bekommen dürfen. Für andere bleibt das Mittel verboten.

Als Parteiloser kandidierte Andreas Müller 2002 für den Bundestag. Der PDS war er wegen seiner Strenge gegen Neonazis sympathisch. Sie hatte ihn nominiert. Aber 2002 scheiterte die PDS an der Fünf-Prozent-Hürde und nur Petra Pau und Gesine Lötzsch zogen ins Parlament ein, weil sie ihre Berliner Wahlkreise gewannen.

2005, als die brandenburgische Linkspartei Richter Wolfgang Nešković für die Bundestagswahl aufstellte, fuhr Müller extra nach Frankfurt (Oder) und warb dort für Nešković, den er als sein Vorbild bezeichnete. Ende 2012 verließ Nešković im Streit über die rot-rote Regierungspolitik im Land Brandenburg die Bundestagsfaktion, 2013 trat er als Unabhängiger konkurrierend an.

Zu einem so offensichtlichen Zerwürfnis kam es im Fall Müller nicht. Der wollte ursprünglich auf die Liste für die Landtagswahl 2009, verzichtete aber kurzfristig auf seine Bewerbung, die eine mühevoll nach Landkreisen und anderen Gesichtspunkten austarierte Liste zerschossen hätte. Später vielleicht, dachte man damals. Aber später kühlte sich das Verhältnis ab. Vorstellungen Müllers, den Jugendarrest von maximal vier Wochen auf drei Monate auszudehnen, unterschieden sich von den Ideen des Justizministers Volkmar Schöneburg (LINKE).