nd-aktuell.de / 22.12.2016 / Kultur / Seite 15

Ruhm und Ruch

Sichtermanns Mätressen

Theodora Becker

Barbara Sichtermann hat sich in den letzten Jahren offenbar auf das Schreiben von Essays über mehr oder weniger vergessene Personen der europäischen Geschichte, vor allem Frauen, verlegt, aus denen sie, gemeinsam mit wechselnden Co-Autoren, reichlich bebilderte Bücher im Coffeetable-Format macht. Das ist schade, weil Sichtermann eigentlich mehr kann, als relativ oberflächliche Unterhaltungstexte zu schreiben.

Nach Schriftstellerinnen, »verwegenen Frauen«, »mutigen Frauen« und Erfinderinnen widmet sich das neueste Buch, das in Zusammenarbeit mit Ingo Rose entstanden ist, »Kurtisanen, Konkubinen und Mätressen«. Da drängt sich zusätzlich die Frage auf, ob es zu den bereits unzähligen Büchern über Frauen, die quer durch die Weltgeschichte mit Sex oder Liebe zu Geld, Ruhm, Status oder zumindest Ruf und Ruch kamen, wirklich noch ein weiteres brauchte. Zumal hier fast ausschließlich bereits ziemlich bekannte Personen wie etwa Mme. de Pompadour, die »Kameliendame« Marie Duplessis oder Rosemarie Nitribitt auftauchen, über die es an biografischen Informationen eigentlich nicht mangelt.

Überraschend ist eher die Einordnung, so wurden etwa auch Olympe de Gouges oder Jean Genet (neben Vaslav Nijinski einer der beiden Männer im Buch) aufgenommen. Damit wird zumindest betont, dass die Dargestellten keineswegs »bloß« oder auch nur primär Prostituierte waren, sondern vielfach Schriftstellerinnen, Politikerinnen und Intellektuelle. Allerdings wäre es noch besser gewesen, dem Buch dann einen anderen als den erfolgheischenden Titel zu geben.

Es bleibt die Kürze und Oberflächlichkeit der Essays, die zwar für das Genre relativ klug sein mögen, aber die jeweils Dargestellten doch biografisch konsumierbar machen und sie unter der Rubrik »interessante Persönlichkeit« ablegen, anstatt die Aufmerksamkeit auf ihr Denken oder die Widersprüche ihres Lebens zu lenken. Ärgerlich ist auch, dass bei einem Buch, das so stark mit der Bebilderung arbeitet, oft jeder Nachweis fehlt, von wem und aus welcher Zeit die abgebildeten Porträts stammen, so dass gerade das, was an diesen Bildern interessant gewesen wäre - nämlich Aufschluss darüber zu geben, wie und warum die Dargestellten in verschiedenen Zeiten zu Faszination und Legendenbildung anregten - verschenkt wird. So bleiben sie bloße Illustrationen, wie die Texte letztlich auch.

Barbara Sichtermann, Ingo Rose: Kurtisanen, Konkubinen & Mätressen. Ebersbach & Simon, 128 S., geb., 24,95 €.