nd-aktuell.de / 27.01.2007 / Wissen

Zu billig für Studien

Mögliches Molekül gegen Krebs ist patentfrei Ohne Gewinnchance Zulassungsverfahren zu teuer

Steffen Schmidt
Dichloressigsäure (DCA) ist ein altbekanntes Mittel. Eingesetzt wird das kleine Molekül bislang allerdings hauptsächlich gegen eine relativ seltene erbliche Krankheit, bei der die Mitochondrien nur vermindert funktionstüchtig sind. Die Fähigkeit, die Kraftwerke der Zelle wiederzubeleben, könnte DCA womöglich zu einer Karriere im Rampenlicht verhelfen: als Krebsmedikament. Denn im Krebsgeschehen spielen auch die Mitochondrien eine Rolle. 1930 beobachtete der deutsche Biochemiker Otto Warburg, dass Krebszellen sich nicht von Mitochondrien mit Energie versorgen lassen, sondern mit der vergleichsweise ineffizienten Zuckerspaltung ohne Sauerstoff im Zellplasma. Warburg vermutete, dass dieser Effekt für die Unsterblichkeit der Tumorzellen verantwortlich ist. Die Mehrzahl der Forscher hielt umgekehrt die untätigen Mitochondrien für ein bloßes Krebssymptom. Eine Studie kanadischer Mediziner um Evangelos Michelakis von der Universität von Alberta gibt Warburg nun recht. Denn sie fanden in Kulturen menschlicher Krebszellen, dass die vermeintlich toten Mitochondrien durch DCA wiederbelebt wurden und dass diese Wiederbelebung den Krebszellen den Tod brachte. Nicht nur das. Bei Ratten mit Tumoren schrumpften diese. Ihre Ergebnisse erschienen im Fachblatt »Cancer Cell« (Bd. 11, S. 37). Sie passen zu der Beobachtung, dass die Zellkraftwerke eine zentrale Rolle beim programmierten Zelltod - der Abwehrreaktion des Körpers gegen defekte Zellen - spielt. DCA hat im Vergleich zu gängigen Krebsmedikamenten geringe Nebenwirkungen. Allerdings ist noch keineswegs sicher, ob das Molekül im menschlichen Organismus das Gleiche tut wie in der Zellkultur sowie in Ratten. Dazu wären klinische Studien nötig. Und die sind teuer. Da erweist sich der Vorteil des Moleküls als Nachteil. Weil es lange bekannt ist, ist äußerst unwahrscheinlich, dass ein wenigstens anwendungsbezogenes Patent erteilt wird. Und ohne Patent kann der Finanzier der Tests seine Kosten nicht über erhöhte Preise hereinholen. Michelakis hofft nun auf öffentliche Gelder für klinische Studien.