nd-aktuell.de / 06.05.2017 / Politik / Seite 2

Van der Bellen fordert Solidarität mit Muslimen

Warum Österreichs Präsident mit einem Aufruf für heftigen Wirbel sorgt

Sebastian Bähr

In den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit ist der österreichische Präsident Alexander Van der Bellen eher selten mit politischen Initiativen aufgefallen. Doch nun hat der 73-jährige ehemalige Grünen-Chef mit einem Spruch zu Kopftüchern erstmals für Furore gesorgt. »Bei dieser tatsächlich um sich greifenden Islamophobie wird noch der Tag kommen, wo wir alle Frauen bitten müssen, ein Kopftuch zu tragen. Alle, aus Solidarität gegenüber jenen, die es aus religiösen Gründen tun«, erklärte der Wirtschaftswissenschaftler jüngst gegenüber Schülern etwas holprig bei einer Podiumsdiskussion.

Van der Bellens Aussage stieß auf heftige Kritik in der Öffentlichkeit. Rechtspopulisten, aber auch Frauenrechtlerinnen aus muslimischen Ländern zeigten sich empört. »Sie missbrauchen die Kraft Ihres Amtes, indem Sie das Kopftuch als ein Symbol der Freiheit darstellen«, schrieben sieben Aktivistinnen in einem offenen Brief an den Präsidenten. »Dieser Kulturrelativismus, dieser pure Sexismus, den Ihre Aussagen bedeuten, ist für uns unerträglich.« Der österreichische Volksmusiker Andreas Gabalier, von Kritikern als Nationalist bezeichnet, heizte in sozialen Netzwerken die Stimmung weiter an. Auf einem Foto zeigte er sich mit Kopftuch, »aus Solidarität unseren Frauen gegenüber«, wie er erklärte. Gleichzeitig hielt der Sänger ein Schnapsglas in der Hand. »In weiser Voraussicht auf das noch folgende Alkoholverbot aus Solidarität jenen Religionen gegenüber, in denen man keinen Alkohol trinkt.«

Van der Bellen versuchte, sich gegenüber dem »Standard« zu rechtfertigen: »Mir ging es, ungeachtet der missglückten Kommunikation, schlicht um Freiheitsrechte.« In der Hörsaalatmosphäre habe er Dinge gesagt, »die man sonst so nicht sagt«. Der bekennende EU-Freund und gebürtige Wiener wird vermutlich aber keinen allzu großen Schaden von der Debatte davontragen. Laut einer Umfrage geht es in der Beliebtheitsskala für den Politiker nach oben. Van der Bellen forderte die Regierung auf, ihr Programm bis zum Herbst umzusetzen.