nd-aktuell.de / 03.06.2017 / Politik / Seite 15

Die Schule soll im Dorf bleiben

Im Hunsrück befürchtet man noch stärkere Abwanderung

Mainz. Im Hunsrück mit seinen kleinen Dörfern sind die Folgen des Bevölkerungsrückgangs und der Landflucht junger Leute besonders stark spürbar. Gerade deshalb wächst dort der Widerstand gegen die mögliche Schließung kleiner Grundschulen. Rund 200 Kinder und Eltern haben erst am Mittwoch in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz lautstark für die Erhaltung solcher Schulen demonstriert. Der Ortsbürgermeister von Lieg, Heinz Zilles (parteilos), appellierte an Landesbildungsministerin Stefanie Hubig (SPD), ihre Leitlinien zur Überprüfung von 41 kleinen Grundschulen zurückzuziehen. »Schulen, die leben wollen, völlig intakt und pädagogisch gut aufgestellt sind, müssen am Leben bleiben dürfen«, rief Zilles. Er kündigte eine Fortsetzung der Proteste an und sprach von einem »Flächenbrand«. Elternsprecher übergaben Hubig eine Online-Petition mit über 25 000 Unterschriften.

Die Wendelinus-Grundschule im Hunsrückdorf Lieg ist eine von jenen 41 Schulen, die wegen ihrer geringen Schülerzahl auf eine mögliche Schließung hin überprüft werden sollen. Wenn es so weit kommt, würde das 350-Einwohner-Dorf »lebendig begraben«, fürchten die Initiatoren der »Lieger Erklärung«. Auch die CDU-Opposition im Mainzer Landtag ist aktiv geworden und hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der auch kleine Grundschulen mit nur zwei Klassen für rechtskonform erklärt.

Der Lieger Ortsbürgermeister verweist immer wieder auf den Zusammenhang von Schulschließung und Abwanderung. »Wir halten günstige Bauplätze für den Zuzug von jungen Familien vor«, erklärt Zilles. Damit sollten junge Menschen aus Lieg einen Anreiz erhalten, nach Studium und Ausbildung wieder in ihren Heimatort zu ziehen - »in der Gewissheit, dass ihre Kinder in der Grundschule vor Ort behütet aufwachsen können«. Eine Schulschließung würde diese Familien vor den Kopf stoßen und ein weiterer Zuzug würde ausbleiben, befürchtet Zilles.

Die Träger der 41 zu überprüfenden Grundschulen wurden Ende März im Bildungsministerium über die Leitlinien und den jetzt eingeleiteten Prozess informiert. Die Reaktionen reichten damals dem Vernehmen nach von Verständnis bis Ablehnung. Bis Ende September ist nun Zeit, ein Konzept vorzulegen, auf welche Weise eine Erhaltung der kleinen Grundschule auf eine tragfähige Grundlage gestellt werden kann. Danach sollen diese Konzepte von der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion geprüft werden. Bei kontroversen Auffassungen entscheidet das Bildungsministerium. Wird eine Schulschließung beschlossen, soll der Unterricht bereits mit Beginn des Schuljahres 2018/19 eingestellt werden.

»Wer kleine Grundschulen schließt, verschließt die Zukunft einer Region«, sagte Julia Klöckner, CDU-Fraktionschefin im Landtag. Die Fraktion hat einen Änderungsantrag für das Schulgesetz vorgelegt, der als Mindestgröße nicht mehr eine Klasse pro Jahrgang vorsieht. Künftig sollen zwei Klassen insgesamt ausreichen. Dabei könnten etwa Schüler der ersten und zweiten Klassenstufe sowie der dritten und vierten Klassenstufe gemeinsam unterrichtet werden.

Im Bildungsministerium wird betont, dass die vom Schulgesetz vorgegebene sogenannte Mindestzügigkeit von einer Klasse pro Klassenstufe - damals unter einer CDU-Regierung - mit Bedacht gewählt worden sei. So werde sichergestellt, dass es an einer Schule auch den nötigen fachlichen und pädagogischen Austausch im Lehrerkollegium, geregelten Vertretungsunterricht sowie Zusatzangebote wie Schulchor, Theatergruppe oder Fußball gebe. dpa/nd