nd-aktuell.de / 18.08.2017 / Kultur / Seite 14

Was macht Boris so?

Andreas Gläser

Den Tocotronic-Heuler »Ich wünschte, ich würde mich für Tennis interessieren« murmele ich nicht mehr so hämisch mit, seitdem ich während des letzten Urlaubs die Sicht auf zwei Tennisplätze genießen konnte. Zuerst dachte ich zwar: Verdammt, jetzt macht das hier eine Woche »plog-plog«, aber der Platz am Rande unseres Kurhotels war fast nie bevölkert, weil sich die Stehbankett-Hooligans nur für die Kuranwendungen interessierten; für die Perlbäder, die Schlammpackungen und Massagen.

Ich hatte am ersten Tag zwar in der Medikuskatakombe zwischen den meckernden und drängelnden Senioren angestanden, doch als ich dran war, war ich schon so genervt, dass ich mir keine Termine geben ließ, sondern alle Anwendungen pauschal absagte. Am liebsten hätte ich einigen dieser Personen sogar eine der drei Mahlzeiten gestrichen und die zweite rationiert.

Zurück zum Tennis. Dieser Sport ist nicht unbedingt unsere Kultur. Wir waren Straßenfußballer, die sich auch anderen Mannschaftssportarten gegenüber aufgeschlossen zeigten, aber Tennis wurde nur auf einem fernen Planeten gespielt, auf einem reichen, sauberen; von dem die frohen Botschaften über die Großturniersiege von Steffi und Boris kamen. Doch als gelegentliche Tischtennisspieler ist uns dieses Riesenpingpong auch nicht völlig fremd. Also schnell im Netz nach den Regeln geforscht und an der Hotelrezeption die Schläger und Bälle geborgt. Und siehe da, so ein Match machte sofort Spaß, auch an den folgenden fünf Tagen. Obwohl sich aufgrund der gewagten Bewegungsabläufe einzelne Muskeln verstärkt meldeten. Der Körper stand wieder unter Spannung, von der Ferse bis zur Fontanelle. Man nahm Haltung an, der Speck schien sich zu verflüchtigen. Ja, Tennis ist eine bessere Methode zum Abnehmen als das langweilige Joggen. Zumal sich so ein Match schon mal über zwei Stunden hinzieht. Erst diese möglichst zackigen Aufschläge, dann die Sprints mit den plötzlichen Stopps. Oh Mann, ob eventuelle Stauchungen gut für die Gelenke wären? Egal, wir wussten die Ärztin in unserer Nähe.

Spätestens zur Rückreise kam die Frage auf, wo im heimatlichen Stadtbezirk eigentlich Tennis gespielt wird. Immerhin ist Berlin ein Dorf, in dem alles um die Ecke liegt. Ich fand heraus, dass beim nahe liegenden Verein der Jahresbeitrag nur 80 Euro beträgt, aber vorerst keine neuen Mitglieder aufgenommen werden; beim nächsten Verein machte der Spaß schon muntere 200. Durch die Anzahl der Monate geteilt, geht das, aber wenn man die Schlechtwetterwochen abzieht, geht es wieder nicht.

Kurz gesagt, es existieren in meinem Kiez zu wenige Tennis Courts, aber einige Kinderspielplätze, die man umgestalten könnte. Und zu wenige Magazine am Kiosk gibt es nach meinen Recherchen auch, denn nicht jede Zeitung, die mein neues Idol Boris auf dem Titelblatt zeigt, ist ein ernst zu nehmendes Tennismagazin.