nd-aktuell.de / 01.12.2017 / Sport / Seite 18

Russland und sein Fest für die Welt

An diesem Freitag werden im Moskauer Kremlpalast die acht Vorrundengruppen der Fußball-WM ausgelost

Thomas Körbel, Moskau

Der Pokal glänzt schon im Scheinwerferlicht. Die Gefäße für die Auslosung der WM-Gruppen stehen auf der Bühne im Moskauer Kremlpalast bereit. Wenn an diesem Freitag die Ziehung der Vorrundengruppen (16 Uhr MEZ) als Gala in alle Welt übertragen wird, will Präsident Wladimir Putin sein Russland als modernen, freundlichen Gastgeber der Fußball-WM 2018 präsentieren.

Knapp 200 Tage bleiben bis zum Anpfiff des Turniers am 14. Juni des kommenden Jahres, bei dem Weltmeister Deutschland seinen Titel verteidigen möchte. Damit das Fußballfest für Organisator Russland ein Erfolg wird, muss fernab der Fernsehkameras aber noch einiges geschehen. »Eine Verzögerung bei der Vorbereitung der Weltmeisterschaft ist nicht akzeptabel«, drängte Putin bei einem Treffen mit Sportfunktionären im Oktober. Es gebe noch Kleinigkeiten zu tun, nichts Gravierendes. »Aber wenn wir nachlassen, bringen wir sie auch nicht zu Ende«, sagte Putin. Vor allem in der Wolgastadt Samara hängt der Bau des Stadions dem Zeitplan hinterher. Putin will keine Baulücken, Pfützen oder Halden mit Bauschutt sehen, »alles soll angenehm für die Leute sein«.

Die WM ist für die Sportnation Russland, die durch die jüngsten Dopingenthüllungen unter Druck steht, Staatsangelegenheit von höchster Bedeutung. Die Regierung investiert umgerechnet zehn Milliarden Euro in das Fußballfest. Experten zufolge könnten die Kosten doppelt bis dreimal so hoch ausfallen - ein immenses Konjunkturprogramm für die Wirtschaft.

Vor allem die russische Provinz sieht sich als Nutznießer der WM. Beispiel: Saransk. International kaum bekannt, gilt die Hauptstadt der Teilrepublik Mordwinien rund 650 Kilometer südöstlich von Moskau als besonders lebenswerte Stadt in Russland. Zahlreiche Baumaßnahmen sollen auch über die WM hinaus den 300 000 Einwohnern den Alltag verschönern. Am Ufer des Flusses Insar wurden 1,3 Kilometer Promenade gebaut. Ein großes Hotel soll nach dem Turnier teils zu Sozialwohnungen umgebaut werden, berichten örtliche Medien.

In jeder Provinzstadt soll die WM ihre Spuren hinterlassen: Im südrussischen Rostow am Don ist ein neuer Flughafen entstanden. In der Ostseemetropole Kaliningrad (ehemals Königsberg) wurde brachliegendes Land für ein Stadion und Parkanlagen erschlossen. In Nischny Nowgorod haben die Behörden in diesem Jahr 32 Millionen Euro für den Straßenbau bekommen. In den Jahren zuvor hätten dafür lediglich fünf Millionen Euro zur Verfügung gestanden, sagte Roman Uchabin von der Stadtverwaltung der Agentur Tass.

Doch Korruptionsvorwürfe - nicht nur rund um das Stadion in St. Petersburg - trüben die glanzvollen Pläne. Auch in der Provinz haben Beobachter Zweifel, dass das viele Geld am richtigen Ort ankommt. Und auch sportlich prasselt immer wieder Kritik auf die Organisatoren ein. Ob die Sbornaja die Gruppenphase überstehen könne, wird in der Moskauer Fachpresse hoch und runter diskutiert. In ausländischen Medien kommen Dopingdebatten rund um das russische WM-Team des Jahres 2014 auf. Doch Russlands Sport-Multifunktionär Witali Mutko lässt die Vorwürfe mit Humor abtropfen: »Wenn wir unter Doping so spielen, dann stellen Sie sich vor, wie wir ohne spielen würden.«

Trotz aller Kritik ist Russlands Führung überzeugt, dass das Milliardenprojekt das Land nachhaltig verändern kann. »Das wichtigste Ziel eines großen internationalen Sportevents ist, eine Grundlage für die Zukunft zu schaffen«, sagte Putin. »Die Menschen aufmerksam machen auf den Sport, auf eine gesunde Lebensführung, auf eine effektive und langfristige Nutzung von Gebäuden und Infrastruktur«, das sei die Aufgabe, betonte der Kremlchef. dpa/nd