nd-aktuell.de / 04.01.2018 / Kultur / Seite 17

Die Insel der Unseligen

Ida Hegazi Hoyer führt in ihrem Roman auf die Galapagos-Inseln

Sabine Neubert

Dies ist ein Roman«, schreibt die Autorin im kurzen, aber informativen Nachwort, »in dem die meisten Handlungen, Gedanken und Dialoge Produkte meiner Fantasie sind. Trotzdem ... ist der Rahmen dieser Erzählung höchst real.« Der Handlung liegt tatsächliches Geschehen zugrunde: die sogenannte »Galapagos-Affäre«. Und die Autorin hat recht: »Je mehr man liest, umso universeller erscheint diese Geschichte.«

Hier haben wir also alles Utopische beieinander, den realen Hintergrund, die fantastische Umsetzung und den universellen Anspruch. Das zusammen versetzt beim Lesen in einen spannungsreichen Schwebezustand zwischen Anziehung und äußerster Irritation. Der offene Schluss verstärkt das Utopische.

Es ist ein mysteriös-dramatische Geschehen, das sich, so oder ähnlich, in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts auf einer der Galapagos-Inseln im Pazifik abgespielt hat, die man auch als Inseln der Schildkröten und Meerechsen kennt sind. Der deutsche Arzt Carlo Ritter hatte sich 1929 dorthin auf einen Ego-Trip begeben.

Er hatte beschlossen, sein bequemes, gut bürgerliches Leben aufzugeben und ganz neu auf einer unbewohnten Insel anzufangen. Dafür warf er alles Zivilisatorische - seine Ehe, seine Freundschaften, seinen Zahnarztberuf, alle Sicherungen - über Bord. Zukünftig wird er als zahnloser, nackter Vegetarier auf der Insel Floreana im Pazifischen Ozean ein naturverbundenes, gutes und langes Leben führen. Doch als er nach einer monatelangen, strapaziösen Überfahrt endlich dort ankommt, erweisen sich seine Vorstellungen alles andere als realistisch.

Der heiße Sandstrand ist schwarz, die Vegetation der Insel ein unwegsames Dickicht, es gibt kein Wasser, alte Schildkrötenpanzer ragen aus dem Erdreich, und durch die Öde irren ein paar verwilderte Haustiere, Reste einer früheren Zivilisation. Dem Wahnsinn nahe, macht sich der einsame Nackte eine uralte Echse zur Freundin.

Indessen dringen geschönte Nachrichten von Dr. Ritters Inselleben nach Europa und finden dort Nachahmer, zuerst in dem jungen Paar Heinzel und (der schwangeren) Marie Wittermann, später in einer exzentrischen »Baroness«, die gleich mit einem ganzen »Hofstaat« an hörigen Männern anreist und vorhat, ein Strandhotel zu bauen. Zunächst gelingt es noch, sich einigermaßen zu arrangieren, dann aber bricht über die Insel die Hölle herein in Gestalt eines ungeheuren Vulkanausbruchs auf der Nachbarinsel, der auch Floreana mit furchteinflößendem Licht überstrahlt und mit schwarzer Asche überschüttet.

Die Tiere hatten es zuerst bemerkt und waren vom Strand auf die höheren Felsen geflüchtet. Das Meer stieg, der Strandstreifen wurde immer schmaler. Dann sah es auch Marie mit ihrem merkwürdigen Blick, aber sie wusste mehr als die Tiere und die Männer: »Nicht das Meer steigt, ihr wisst wohl, dass wir es sind, die sinken.«

Ende der Utopie! Aber nicht das Ende davon, immer wieder von einer »Insel der Seligen« zu träumen.

Ida Hegazi Hoyer: Das schwarze Paradies. Roman. Aus dem Norwegischen· von Alexander Sitzmann. Residenz Verlag. 224 S., geb., 20 €.