nd-aktuell.de / 19.01.2018 / Politik / Seite 7

Kuhhandel in Washington

Kongress und Präsident streiten um den Bundesetat - der US-Regierung droht Stillstand

Olaf Standke

Der Parteienstreit um den US-amerikanischen Bundeshaushalt ist wie ein ewiges Déjà-vu. Es gab schon Zeiten, da kam man beim Zählen der Interimsbudgets kaum noch nach. Und auch in diesem Jahr drohte schon drei Mal staatliche Zahlungsfähigkeit, denn ohne Genehmigung des Kongresses darf die Regierung kein Geld ausgeben. Bis 24 Uhr am heutigen Freitag können sich Republikaner und Demokraten spätestens auf einen Kompromiss einigen, sonst müssten Ministerien und Bundesbehörden dicht machen oder ihre Arbeit zumindest stark einschränken und Staatsdiener gezwungenermaßen zu Hause bleiben. Auch Armeeangehörige ohne Uniform erhielten kein Geld. Rentner etwa oder Kriegsveteranen wären Leidtragende, weil ihre Bezüge möglicherweise ausblieben. Selbst Touristen könnten betroffen sein, wenn beliebte Sehenswürdigkeiten wie die Freiheitsstatue in New York, der Yellowstone Park in Wyoming oder die National Portrait Gallery in Washington schließen sollten. 2013 führte dieser »Government Shutdown« zur Beurlaubung von 850 000 Beschäftigten; er kostete den Staat 6,6 Millionen Arbeitstage und über 2,5 Milliarden US-Dollar (etwa zwei Mrd. Euro).

So wird in Washington heftig um eine erneute Zwischenlösung bis Mitte Februar gefeilscht, um einen Regierungsstillstand zu verhindern. Eine grundsätzliche Lösung steht ohnehin noch in den Sternen, obwohl das laufende Haushaltsjahr schon am 1. Oktober begonnen hat. Doch die Fronten sind verhärtet, weil beide Seiten andere Prioritäten setzen. So fordern die Republikaner beispielsweise noch mehr Geld für das Militär - der Haushaltsentwurf ihres Präsidenten sieht eine massive Steigerung des Pentagonetats auf 692 Milliarden US-Dollar vor und würde alle Rekorde brechen. Zudem hofft Donald Trump auf Milliardenzusagen für eines seiner großen Wahlversprechen, den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko.

Die Demokraten wiederum wollen sich ein mögliches Einlenken politisch teuer bezahlen lassen und fordern im Gegenzug zum Beispiel eine Regelung, die die rund 700 000 sogenannten Dreamer vor Abschiebung bewahrt. Donald Trump hatte das von seinem Vorgänger Barack Obama initiierte Programm zum Schutz junger Migranten, die als Kinder ohne gültige Papiere mit ihren Eltern in die USA kamen, gestoppt. Inzwischen ist es Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen.

Doch über diesen Stock will die Präsidentenpartei partout nicht springen. Ihre Führung signalisierte dafür Entgegenkommen in einer anderen Streitfrage und könnte sich die temporäre Verlängerung eines staatlichen Krankenversicherungsprogramms für Kinder vorstellen. Eine Mehrheit dafür hat sie allerdings noch nicht. Die Republikaner dominieren zwar beide Kongresskammern. Doch im Senat brauchen sie nicht nur ihre 51 von 100 Stimmen, sondern 60, um ein Haushaltsgesetz tragfähig gegen Blockadetricks zu machen - womit die Demokraten dann doch am längeren Hebel sitzen. Der Poker ist allerdings für alle Beteiligten riskant.

Trump etwa wandelt auf einem schmalen Grat zwischen selbst ernannter »Deal-Maker« und überforderter Chaos-Präsident. Erratisch wie gehabt hofft er heute auf eine »Einigung in Liebe« mit der Opposition, um wenig später einen parteiübergreifenden Kompromissvorschlag zur überfälligen Einwanderungsreform brüsk zurückzuweisen und für seinen rassistischen »Drecksloch«-Vergleich in der Diskussion mit weltweiter Kritik überschüttet zu werden. Aber auch die Demokraten müssen im Jahr der wichtigen Zwischenwahlen zum Kongress nachweisen, dass sie mehr zu bieten haben, als nur Nein zu Trump zu sagen, und ihm dann alle Schuld fürs Scheitern in die Schuhe zu schieben. Allen läuft inzwischen die Zeit davon.

Der US-Präsident orakelte am Donnerstag in einem Interview, es könne durchaus möglich sein, dass es schon am Wochenende zu einem Regierungsstillstand in Washington komme.