nd-aktuell.de / 01.06.2018 / Aus dem Netz gefischt / Seite 17

Journalisten als politische Eunuchen?

Medienmacher disktutieren, ob sie in ihrer Freizeit an politischen Aktionen teilnehmen dürfen

Robert D. Meyer

Am vergangenen Sonntag protestierten in Berlin mehrere Zehntausend Menschen gegen einen Aufmarsch der AfD. Unter jenen, die sich der Rechtsaußenpartei entgegenstellten, waren auch hauptberuflich tätige Journalisten, die am Protest allerdings privat teilnahmen und nicht über diesen berichteten. Er finde dies problematisch, twitterte tags darauf Martin Machowecz, Leiter des Leipziger Büros der Wochenzeitung »Die Zeit«. »Kann man denn dann am nächsten Tag wirklich wieder glaubwürdig über die AfD schreiben?«, fragte er rhetorisch und stieß damit eine Debatte unter Medienmachern an, ob und wenn ja, wie viel politisches Engagement sich Journalisten privat leisten dürften, um bei der Ausübung ihres Berufes glaubwürdig zu bleiben, speziell auch im Umgang mit der AfD. Gegenüber taz.de konkretisierte[1] Machowecz seine Bedenken. Es könne der »problematische Eindruck« entstehen, »wir Journalisten seien alle einhellig gegen die Partei. Und wir wüssten genau, was gut und böse ist.« Das erschwere es, »mit deren Wählern in Kontakt zu bleiben«.

Der Journalist Mario Sixtus sieht in den Äußerungen des »Zeit«-Kollegens eine Aufforderung an Medienmacher, sich unpolitisch zu verhalten. »Erwarten Sie von Journalisten, dass sie keine Staatsbürger sind, keine Haltung einnehmen, gegen Parteien oder Menschen, in denen sie eine Gefahr für unsere Gesellschaft sehen? Wollen Sie politische Eunuchen als Journalisten?«, fragt Sixtus.

Eine, die auf dem schmalen Grat zwischen politischem Aktivismus und Journalismus viele Erfahrungen sammelte, hat dazu eine klare Meinung: »Es gibt keine unpolitischen Journalist*innen«, twitterte Jutta Ditfurth. Wer das von sich behaupte, dem traue die Publizistin und Politikerin nicht. Wichtig sei ihr vor allem die »Trennung zwischen meinungsklarem Kommentar und sorgfältigem Bericht«.

Damit tendiert sie zu einer Haltung, die auch Hanning Voigts, Redakteur bei der »Frankfurter Rundchau«, vertritt. Gegenüber Mediares, dem Medienmagazin auf deutschlandfunk.de[2], erklärte er, Journalisten sollten an der Qualität ihrer Arbeit bemessen werden. Im Vordergrund dürfe dabei nicht die Frage stehen, ob sie objektiv und neutral seien. Weil sie »ganz normale Menschen wie alle anderen auch« sind, gehe dies ohnehin nicht, so Voigts. Maßstab müsse deshalb sein, »ob Journalisten ihren Job fair, transparent und vor allem professionell machen«.

Dazu gehöre auch, nicht über eine Demo zu berichten, an der man selbst teilnimmt. Grundsätzlich müsse es aber für Journalisten möglich sein, privat daran teilzunehmen, »solange sie ihre Rolle im Blick behalten und wissen, dass sie eine große Verantwortung haben«. Der Blogger Mikael in den Fahrt stimmt Voigts auf metronaut.de zu[3]. Die Annahme, jemand könne »nicht faktentreu, quellengenau und nach allen Regeln der journalistischen Sorgfaltspflicht arbeiten«, wenn »er in erbitterter Gegnerschaft zum Gegenstand seiner Berichterstattung steht«, sei schlicht falsch.

Links:

  1. https://taz.de/Zeit-Redakteur-ueber-Umgang-mit-der-AfD/!5509526/
  2. http://podcast-mp3.dradio.de/podcast/2018/05/29/mediasres_medienmagazin_29052018_komplette_sendung_dlf_20180529_1558_824ce669.mp3
  3. https://www.metronaut.de/2018/05/umgang-mit-der-afd-ein-land-hat-das-stockholm-syndrom/