nd-aktuell.de / 30.03.2019 / Kommentare / Seite 2

Demokratie und Kredite

sieben tage, sieben nächte

Gut, dass Deutschland einen Außenminister hat, denn der kennt sich im Ausland aus. Mit dieser Kenntnis bewaffnet warnte uns Außenminister Heiko Maas diese Woche vor fremdartigen Gebräuchen jenseits der deutschen Grenzen. So seien »Zukunftstechnologien in den USA auch Mittel zur Profitmaximierung«. Man stelle sich das vor - Apple, Google, Facebook wollen nur Geld! Gott sei Dank sorgt Maas hier für Aufklärung und teilt uns gleichzeitig mit, wozu Zukunftstechnologien bei uns gut sind: »Aus Innovation entsteht Aufstieg und aus Aufstieg entsteht Gerechtigkeit.« Gut, dass wir in Deutschland leben, wo die Industrie 4.0 nicht Profit, sondern permanent Gerechtigkeit produziert - anders als in den USA. Oder in China. Von dort weiß Maas zu berichten, dass »Zukunftstechnologien auch zur Kontrolle der Bürger eingesetzt« werden. Davon können die hiesigen Geheimdienste nur träumen.

Über China erzählen uns Politiker dieser Tage weitere beunruhigende Dinge. So verfolge Peking mit seinen Investitionen und Krediten an andere Länder - Stichwort Neue Seidenstraße - eigennützige Ziele. Ja, das muss man erst mal verdauen, wenn man aus einem Land wie Deutschland kommt, wo Kredite ans Ausland nur zu dessen Entwicklung dienen.

Darüber hinaus, heißt es, verfolge Peking mit seinem Geld nicht nur kommerzielle, sondern auch politische Interessen, es wolle Länder an sich binden. Wer jetzt einwendet, die Kredite des Westens an die Ukraine täten doch einen ähnlichen Dienst, dem sei entgegnet: Nein, hier geht es um Demokratie und Freiheit. Während Darlehen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank seit über 70 Jahren in aller Welt Stabilität und Freiheit schützen, was insbesondere in Zeiten des Kalten Krieges mit der Sowjetunion schöne Erfolge gezeitigt hat, zielt China auf Unterjochung.

Und schließlich warnen uns unsere Politiker davor, dass Peking sein Geld nicht verschenkt, sondern verleiht, und das auch noch zu niedrigen Zinsen, was die Gefahr beinhaltet, dass ein Land so viel Kredit nimmt, dass es das Geld nicht zurückzahlen kann und also in Chinas Schuldenfalle rennt. Eine perfide Strategie!

An dieser Stelle liegt der Einwand nahe, die Kreditvergabe des Westens habe in den vergangenen Jahrzehnten doch regelmäßig zu Schuldenkrisen geführt: Lateinamerika und Afrika in den 80ern, Mexikokrise 1994, Asien, Brasilien und Russlandkrise 1998, Argentinienkrise 2001. Und wenige Jahre später hat es Griechenland und den Rest der Euro-Peripherie erwischt. Doch diese Länder, erklären uns Ökonomen, waren selbst schuld. Während im Falle Chinas der Kreditgeber für Krisen verantwortlich ist, sind es bei unseren Krediten die Kreditnehmer. Ist doch nicht so schwer. Und merkt sich leicht. Stephan Kaufmann