nd-aktuell.de / 23.04.2019 / Politik / Seite 3

Anschläge erschüttern Sri Lanka

Die Dimension des Terrors lässt die Regierung ein internationales Netzwerk als Drahtzieher vermuten

Thomas Berger, Jaffna

Ein wolkenlos blauer Himmel wölbt sich am Montagmorgen über der nördlichen Provinzstadt Jaffna. Es ist der Morgen nach jenem Tag, der sich mit Blut, Zerstörung und Schrecken in die jüngere Geschichte des Inselstaates eingraviert hat. Zwar forderte dereinst der Bürgerkrieg an die 100.000 Todesopfer. Der währte zwischen 1983 und der finalen Offensive der Armee im Mai 2009 gegen die letzten Bastionen der Rebellenbewegung Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE), die damals auch mit terroristischen Mitteln für einen eigenen Tamilenstaat hier im Norden der Insel kämpften. In den zehn Jahren seither war es insgesamt ruhig. Doch nun dies: Ausgerechnet am Ostersonntag zerreißen mehrere Bombenexplosionen den Alltag und die teils feiertägliche Stimmung. Primär betroffen drei Kirchen und drei Nobelhotels, zumeist in der Hauptstadt Colombo.

In Jaffna wie überall im Land ist Montag um sechs Uhr morgens die zwölfstündige Ausgangssperre beendet. Selbst Nachtzüge blieben in den Bahnhöfen, der Busverkehr war eingestellt. Und bereits gegen 17.30 Uhr befand sich am Sonntag in der größten Stadt des Nordens kaum noch jemand auf den Straßen, die Mehrzahl der Geschäfte war bereits verrammelt. Nachmittags, als beispielsweise in der lokalen Kirche Johannes der Täufer noch ein Ostergottesdienst lief, patrouillierten dort mehrere Soldaten zum Schutz der Gläubigen. Uniformierte standen auch am Nallur Kandaswamy Kovil, dem wichtigsten Hindu-Heiligtum der mehrheitlich tamilischen Stadt. Und zumindest für den Großraum Colombo erklärte gegen 13 Uhr Kardinal Malcolm Ranjith, der Erzbischof und ranghöchste katholische Geistliche im Land, alle weiteren Ostermessen für abgesagt.

Montagvormittag hat sich in Jaffna wie andernorts das öffentliche Leben zwar normalisiert. Der Verkehr rollt wieder, kleine Menschentrauben stehen vor Läden. Doch beispielsweise ist Facebook immer noch blockiert, WhatsApp funktioniert höchstens eingeschränkt. Mit diesen Maßnahmen will die Regierung die Verbreitung von Falschmeldungen, wilden Spekulationen und Aufstachelung zum Hass über die sozialen Medien eindämmen.

Dafür läuft in vielen Wohnzimmern der Fernseher mit Sondersendungen. »Die Situation ist ziemlich kritisch, aber wir sollten jetzt Ruhe bewahren«, sagt Udhaya, ein Mittdreißiger, der in Sichtweite des großen Tempels im Restaurant Nallur Bhavan als Kellner arbeitet. »Traurig, wirklich traurig ist das. Nach zehn Jahren, die wir auf einem guten Entwicklungsweg waren, gibt es immer noch Menschen, die das Leben nicht respektieren - kleine, radikale Minderheiten, die alles kaputt machen«, ist auch Allen Kathirethanby (63) noch immer entsetzt. Der 63-Jährige hat 25 Jahre in Düsseldorf gelebt, ist erst vor fünf Jahren nach Jaffna heimgekehrt, wo er nun eine Privatunterkunft betreibt.

Noch ist zu den Hintergründen der Tat nichts bekannt, Polizei wie Politik halten sich mit diesbezüglichen Stellungnahmen bewusst zurück. Klar ist aber: Die Täter müssen das Ganze offenbar länger genau geplant haben. Sechs der acht Explosionen ereigneten sich zwischen 8.30 und 9 Uhr binnen einer halben Stunde. Die Bomben wurden in der St.-Antonius-Kirche in Colombo (die nicht nur zentrales Heiligtum der Katholiken ist, sondern auch von Angehörigen anderer Religionen besucht wird), der ebenfalls katholischen und mit über 1000 Gläubigen besetzten St. Sebastian im 40 Kilometer nördlich gelegenen Negombo sowie der protestantischen Zionskirche in der östlichen Provinzstadt Batticaloa gezündet.

Dazu detonierten in dicht beieinander in der Innenstadt Colombos gelegenen Nobelherbergen Bomben: im Kingsbury Hotel, im Shangri-La und im Cinnamon Grand, Letzteres ganz in der Nähe der Residenz von Premier Ranil Wickremesinge, Erstgenanntes nur anderthalb Blocks vom Hafen entfernt. Im Shangri-La sprengte sich ein Selbstmordattentäter zwischen Wartenden am Frühstücksbuffet des im dritten Geschoss liegenden Restaurants in die Luft, was dort besonders viele Todesopfer forderte - unter ihnen eine einheimische Starköchin und deren Tochter, eine College-Studentin.

Dramatische Szenen spielten sich ab, als Helfer Verletzte aus den Trümmern bargen. Der Minister für ökonomische Reformen, Harsha de Silva, schrieb in Tweets erschüttert von zwischen Splittern und blutgetränkten Balkenteilen herumliegenden Leichenteilen. Das Personal in den Krankenhäusern war zeitweise fast überfordert von der Vielzahl der Verwundeten, die versorgt werden mussten.

Etwas später gab es zwei weitere Detonationen - in einer Wohnanlage und einem kleinen Hotel am südlichen Rande Colombos. Sicherheitskräfte hatten dort Verdächtige verfolgt und waren dem Hinweis auf ein Waffenlager nachgegangen. Ein weiterer Sprengsatz konnte entschärft werden: Die Rohrbombe, nach Experteneinschätzung eher einheimischer Konstruktion, die sich auf einer Straße in Flughafennähe fand, hätte ebenfalls viel Unheil anrichten können. 24 Verdächtige sollen sich nach jüngsten Behördenangaben vom Montagnachmittag (Ortszeit) in Haft befinden.

Während Staats- und Regierungschefs aus aller Welt vom indischen Premier Narendra Modi und Pakistans Imran Khan über führende Köpfe der EU-Staaten bis hin zu US-Präsident Donald Trump die Anschläge verurteilten, schlossen Papst Franziskus in Rom und der Erzbischof von Canterbury als Oberhaupt der Anglikaner die Opfer ausdrücklich in ihre Osterbotschaften ein, riefen zu Frieden und Eintracht auf.

Bekannt hat sich zu den Terrorakten noch niemand, bestimmte Fingerzeige in Richtung Verbündeter des Islamischen Staats (IS) sind bisher unbestätigt. Die Regierung ließ verlauten, bei den Verhafteten handle es sich um Einheimische. Allerdings hat Premier Ranil Wickremesinghe offiziell bestätigt, dass die Polizei schon vor zehn Tagen Hinweise erhalten habe, die bisher nicht näher bekannte radikalislamische Gruppe National Thoweeth Jamaath (NTJ) könnte Anschläge planen - explizit auf Kirchen. Gesundheitsminister und Regierungssprecher Rajitha Senaratne verwies auf mutmaßlich ausländische Hintermänner - »ohne ein internationales Netzwerk wäre das nicht möglich gewesen«.