nd-aktuell.de / 06.04.2020 / Kultur / Seite 6

Provokanter Geschäftsmann

Till Lindemann sorgt mit einem lyrischen Text für Aufregung.

Christian Klemm

Fulminante Bühnenshow, provokante Texte, schlechte Musik: Mit nur wenigen Worten ist die deutsche Metalband Rammstein beschrieben. Der Sänger der weltweit erfolgreichen, aber in der Szene nicht selten verlachten Band ist Till Lindemann, ein in Leipzig geborener und im Wohnungsbaukombinat Rostock ausgebildeter Bautischler mit einer Vorliebe für »Gedichte«. Eines seiner letzten Werke hat ihm in den sozialen Netzwerken einen mächtigen Shitstorm eingehandelt. In »Wenn du schläfst« wird nämlich eine Vergewaltigung einer Frau aus Sicht des Täters beschrieben.

Neben dem KiWi-Verlag ist es vor allem Lindemann selbst, dem die wütenden Kommentare auf Twitter und Co. gut gefallen dürften. Schon Rammsteins Geschäftsmodell ist jeher auf Provokation und Schlagzeilen ausgelegt. Erinnert sei an den Song »Mein Teil«, der den »Kannibalen von Rotenburg« zum Thema hatte, oder das Video zum Depeche-Mode-Cover »Stripped«, in dem Szenen aus Leni Riefenstahls Nazi-Propagandafilm für die Olympischen Spiele 1936 in Berlin zu sehen sind. Lindemann, der in jungen Jahren als Leistungsschwimmer für den SC Empor Rostock an den Start ging, hält an diesem Modell fest – sein Kontostand wird es ihm danken.

Vergewaltigung von Frauen ist in einer patriarchalischen Gesellschaft wie der unseren an der Tagesordnung. Gewalt gegenüber Kindern, Obdachlosen, Migranten und Homosexuellen ist ebenso alltäglich. Diese Taten werden in Film und Musik mit zum Teil brutalen Bildern und Worten beschrieben – das ist keine Erfindung von Lindemann. Man denke nur an die extremen Gewaltdarstellungen der Death-Metal-Band Cannibal Corpse, die zum Teil bis heute nicht live gespielt werden dürfen. Dagegen ist der neue Lindemann-Text schon beinahe ein fröhliches Kinderlied.

Die Beschreibung der abscheulichen Realität ist nicht zwangsläufig mit ihrer Verherrlichung gleichzusetzen. Ein Aufruf zur Vergewaltigung ist dieses – sagen wir – Gedicht nicht. Ein Aufruf, das Buch zu kaufen, aber auch nicht.