Provokanter Geschäftsmann

Till Lindemann sorgt mit einem lyrischen Text für Aufregung.

Fulminante Bühnenshow, provokante Texte, schlechte Musik: Mit nur wenigen Worten ist die deutsche Metalband Rammstein beschrieben. Der Sänger der weltweit erfolgreichen, aber in der Szene nicht selten verlachten Band ist Till Lindemann, ein in Leipzig geborener und im Wohnungsbaukombinat Rostock ausgebildeter Bautischler mit einer Vorliebe für »Gedichte«. Eines seiner letzten Werke hat ihm in den sozialen Netzwerken einen mächtigen Shitstorm eingehandelt. In »Wenn du schläfst« wird nämlich eine Vergewaltigung einer Frau aus Sicht des Täters beschrieben.

Neben dem KiWi-Verlag ist es vor allem Lindemann selbst, dem die wütenden Kommentare auf Twitter und Co. gut gefallen dürften. Schon Rammsteins Geschäftsmodell ist jeher auf Provokation und Schlagzeilen ausgelegt. Erinnert sei an den Song »Mein Teil«, der den »Kannibalen von Rotenburg« zum Thema hatte, oder das Video zum Depeche-Mode-Cover »Stripped«, in dem Szenen aus Leni Riefenstahls Nazi-Propagandafilm für die Olympischen Spiele 1936 in Berlin zu sehen sind. Lindemann, der in jungen Jahren als Leistungsschwimmer für den SC Empor Rostock an den Start ging, hält an diesem Modell fest – sein Kontostand wird es ihm danken.

Vergewaltigung von Frauen ist in einer patriarchalischen Gesellschaft wie der unseren an der Tagesordnung. Gewalt gegenüber Kindern, Obdachlosen, Migranten und Homosexuellen ist ebenso alltäglich. Diese Taten werden in Film und Musik mit zum Teil brutalen Bildern und Worten beschrieben – das ist keine Erfindung von Lindemann. Man denke nur an die extremen Gewaltdarstellungen der Death-Metal-Band Cannibal Corpse, die zum Teil bis heute nicht live gespielt werden dürfen. Dagegen ist der neue Lindemann-Text schon beinahe ein fröhliches Kinderlied.

Die Beschreibung der abscheulichen Realität ist nicht zwangsläufig mit ihrer Verherrlichung gleichzusetzen. Ein Aufruf zur Vergewaltigung ist dieses – sagen wir – Gedicht nicht. Ein Aufruf, das Buch zu kaufen, aber auch nicht.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal