nd-aktuell.de / 19.06.2020 / Kommentare / Seite 4

Neubürger

Personalie: Der ehemalige Drogenzar Carlos Lehder Rivas lebt nun in der BRD.

Simon Poelchau

Hört man das Wort »Drogenstaat«, denkt man eigentlich nicht an Deutschland. Zwar wird mit dem Oktoberfest jährlich die weltweit größte Drogenparty in München gefeiert und auch gerade jüngere Menschen nehmen hierzulande gerne mal die eine oder andere illegale Substanz. Doch das Wort »Drogenstaat« trifft nun wirklich eher auf Mexiko, Afghanistan oder Kolumbien zu. Trotzdem beherbergt die BRD seit einigen Tagen eine Person, die wie wenige andere für den Drogenhandel steht: Carlos Lehder Rivas.

Der Sohn eines deutschen Ingenieurs und einer kolumbianischen Lehrerin startete seine Kariere als kleiner Grasdealer. Mit dem Aufstieg der Droge Kokain kam in den 1970er Jahren auch sein Aufstieg. Für den Gründer des kolumbianischen Medellin-Kartells und wohl bekanntesten Drogendealer aller Zeiten, Pablo Escobar, organisierte er den Schmuggel des weißen Goldes in die USA. Und zwar in einem nie dagewesenen Ausmaß. Dafür brachte er sogar eine kleine Insel auf den Bahamas unter seine Kontrolle, samt Jachthafen und einer kleinen Flugzeugpiste, über die er eine eigene Schmuggelairline betrieb. Bald übertrieb es »Crazy Charly«, der mit dem Nationalsozialismus sympathisierte, jedoch. Spätestens als ein mit einer Leiche beladenes Seegelboot in der Nähe der Insel trieb, wurden wohl die Behörden auf ihn aufmerksam. Vermutlich wurden Lehders Eskapaden selbst Escobar zu viel. Schließlich hält sich das Gerücht, dass der Kartellchef persönlich Lehder verpfiff.

Als erster großer Fang wurde der mittlerweile 70-Jährige von Kolumbien an die USA ausgeliefert und 1987 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Eine Aussage gegen den panamaischen Diktator Manuel Noriega brachte Lehder Hafterleichterungen und die Aufnahme ins Zeugenschutzprogramm ein. Dieser Tage wurde er nun aus der Haft entlassen und nach Deutschland abgeschoben. Zwar war Lehder zuvor noch nie in diesem Land und hat hier auch keine Angehörigen. Doch dank seines Vaters besitzt er die hiesige Staatsbürgerschaft. Und im Gegenzug zu Kolumbien droht ihm hier kein neues Verfahren.