nd-aktuell.de / 16.10.2022 / Wissen / Seite 1

Von der faulen DNA und der fleißigen RNA

Wie das Erbmaterial für die Produktion der Eiweiße sorgt. Die Lauferei haben dabei die RNA-Moleküle

Reinhard Renneberg
Biolumne: Von der faulen DNA und der fleißigen RNA

Die alte Tante DNA ist, wie oft bei berühmten Geschwistern, wichtig, aber nicht die fleißigste. Sie ist eine Stubenhockerin, bleibt gemütlich und – rund um die Uhr – bewacht zu Hause, im Zellkern. Die Poren des Kerns sind Fenster, aber durch die passt die unbewegliche Dame nicht. Und große Türen gibt es nicht für sie – es könnten ja auch Feinde von draußen reinkommen.

Die DNA ist wie gesagt etwas gebrechlich, wagt sich nicht nach draußen in die doch raue Welt des Zellplasmas. Ihre Arbeit besteht darin, ihre wertvollen Informationen aus alten Tagen zu hüten. Gelegentlich werden ihre Informationen allerdings verdoppelt. Das nennen wir Menschen dann Zell- und Kernteilung (Mitose).

Die kleine bewegliche RNA schlängelt sich dagegen als flinker Bote (messenger RNA, mRNA) millionenfach mit Abschriften der wertvollen DNA-Information aus dem Kern. Diese flinken Boten passen durch dessen Poren, schnurstracks hinein in das gefährliche Zell-Plasma. Das ist so bei den Zellen der sogenannten Eukaryoten – das sind die mit echtem Zellkern und Chromosomen.

Bei den niederen Prokaryoten (wie den Bakterien) schwebt die DNA dagegen „wagemutig», ungeschützt als Riesen-Ring, frei im Zellplasma. Hier hat sie noch dutzendfache Ableger in Form kleiner ringförmige DNA-Plasmide. Diese DNA-Plasmide sind (im Gegensatz zur Haupt-DNA) beweglich und können über sogenannte Sex-Pili zwischen Bakterienzellen ausgetauscht werden (Mikrobiologen nennen das Konjugation). Auch Bakterien haben also, nun ja … Sex.

Dabei können z.B. Informationen zum Bau von antibiotika-zerstörenden Enzymen (Lactamasen) weitergegeben[1] werden und andere Bakterien (zu unserem Leidwesen) resistent gegen Antibiotika machen. Eine echte Herausforderung!

Die RNA-Geschwister gehen, bildlich gesprochen, nach draußen in die weite Welt, anstatt daheim zu hocken und sich nur um ihr Erbe zu kümmern. Diese „Arbeiter-RNAs» ackern in den Eiweißfabriken, den Ribosomen. Deren Produkte sind dann die Tausende verschiedener Eiweiße der Zelle.

Die wichtige Rolle der RNA[2] wurde erst durch Sidney Altman und Thomas Cech klar für Ribozyme (Nobelpreis 1989) und Jack Szostak (Nobelpreis 2009) weiter aufgeklärt. Szostak war dann der Lehrer von Jennifer Doudna, die mit meiner guten Freundin Emmanuelle Charpentier den Chemie-Nobelpreis für Crispr[3] bekam. Auch bei der Genschere Crispr hat die aktive RNA eine entscheidende Funktion!

Getreu dem „Lob des Zweifels» von Bertolt Brecht fragt man sich, ob die RNA der Covid-19-Impfstoffe, die immerhin vier bis sieben Minuten in der Zielzelle aktiv ist, noch außerplanmäßige Überraschungen in petto hat …

Sic transit gloria mundi (So vergeht der Ruhm der Welt) pflegte mein seliger Merseburger Lateinlehrer, der Altphilologe Friedrich Moritz Hohmuth, stets zu sagen und Errare humanum est.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/18226.mediziner-besorgt-ueber-nachlassende-wirksamkeit-von-antibiotika.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/78470.schalter-fuer-die-gene.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1142873.nobelpreise-auszeichnung-als-botschaft.html