- Wissen
- Biolumne
Von der faulen DNA und der fleißigen RNA
Wie das Erbmaterial für die Produktion der Eiweiße sorgt. Die Lauferei haben dabei die RNA-Moleküle
Die alte Tante DNA ist, wie oft bei berühmten Geschwistern, wichtig, aber nicht die fleißigste. Sie ist eine Stubenhockerin, bleibt gemütlich und – rund um die Uhr – bewacht zu Hause, im Zellkern. Die Poren des Kerns sind Fenster, aber durch die passt die unbewegliche Dame nicht. Und große Türen gibt es nicht für sie – es könnten ja auch Feinde von draußen reinkommen.
Die DNA ist wie gesagt etwas gebrechlich, wagt sich nicht nach draußen in die doch raue Welt des Zellplasmas. Ihre Arbeit besteht darin, ihre wertvollen Informationen aus alten Tagen zu hüten. Gelegentlich werden ihre Informationen allerdings verdoppelt. Das nennen wir Menschen dann Zell- und Kernteilung (Mitose).
Die kleine bewegliche RNA schlängelt sich dagegen als flinker Bote (messenger RNA, mRNA) millionenfach mit Abschriften der wertvollen DNA-Information aus dem Kern. Diese flinken Boten passen durch dessen Poren, schnurstracks hinein in das gefährliche Zell-Plasma. Das ist so bei den Zellen der sogenannten Eukaryoten – das sind die mit echtem Zellkern und Chromosomen.
Bei den niederen Prokaryoten (wie den Bakterien) schwebt die DNA dagegen „wagemutig», ungeschützt als Riesen-Ring, frei im Zellplasma. Hier hat sie noch dutzendfache Ableger in Form kleiner ringförmige DNA-Plasmide. Diese DNA-Plasmide sind (im Gegensatz zur Haupt-DNA) beweglich und können über sogenannte Sex-Pili zwischen Bakterienzellen ausgetauscht werden (Mikrobiologen nennen das Konjugation). Auch Bakterien haben also, nun ja … Sex.
Dabei können z.B. Informationen zum Bau von antibiotika-zerstörenden Enzymen (Lactamasen) weitergegeben werden und andere Bakterien (zu unserem Leidwesen) resistent gegen Antibiotika machen. Eine echte Herausforderung!
Die RNA-Geschwister gehen, bildlich gesprochen, nach draußen in die weite Welt, anstatt daheim zu hocken und sich nur um ihr Erbe zu kümmern. Diese „Arbeiter-RNAs» ackern in den Eiweißfabriken, den Ribosomen. Deren Produkte sind dann die Tausende verschiedener Eiweiße der Zelle.
Die wichtige Rolle der RNA wurde erst durch Sidney Altman und Thomas Cech klar für Ribozyme (Nobelpreis 1989) und Jack Szostak (Nobelpreis 2009) weiter aufgeklärt. Szostak war dann der Lehrer von Jennifer Doudna, die mit meiner guten Freundin Emmanuelle Charpentier den Chemie-Nobelpreis für Crispr bekam. Auch bei der Genschere Crispr hat die aktive RNA eine entscheidende Funktion!
Getreu dem „Lob des Zweifels» von Bertolt Brecht fragt man sich, ob die RNA der Covid-19-Impfstoffe, die immerhin vier bis sieben Minuten in der Zielzelle aktiv ist, noch außerplanmäßige Überraschungen in petto hat …
Sic transit gloria mundi (So vergeht der Ruhm der Welt) pflegte mein seliger Merseburger Lateinlehrer, der Altphilologe Friedrich Moritz Hohmuth, stets zu sagen und Errare humanum est.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.