Ein Freispruch beweise nicht die Unschuld des zuvor Angeklagten, mahnen einige Kommentatoren in den sozialen Medien. Sie beziehen sich auf das Urteil, das ein Londoner Gericht am Mittwoch im Fall Kevin Spacey gefällt hat. Und natürlich haben sie recht: Mit dem Freispruch Spaceys ist nicht zweifelsfrei widerlegt, dass der Hollywood[1]-Schauspieler nicht doch die sexuellen Übergriffe begangen haben könnte, die ihm verschiedene Männer vorgeworfen haben. Gerade im Bereich der Sexualkriminalität lässt sich ein Delikt oft schwer nachweisen, überprüfbare Dokumente fehlen, es steht Aussage gegen Aussage.
Heißt das nun aber im Fall Spacey, dass das Gegenteil wahr oder auch nur wahrscheinlich ist? Auch nicht. Oder besser gesagt: Wir können es nicht beurteilen und werden es wohl nie herausfinden. Damit sollte sich die Öffentlichkeit, so schwer es ihr gemeinhin fällt, einmal begnügen. Und wenngleich Kritik am staatlichen Rechtswesen sicherlich angebracht ist – immerhin entspringt es der bürgerlichen Gesellschaft, die ihr Versprechen der Gleichheit aller bisher nicht eingelöst hat –, ist dieses zweifellos jeder medialen Lynchjustiz vorzuziehen.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1175079.metoo-kevin-spacey-nicht-lynchen-bitte.html