Sie sind im Weg, man tritt (aus Versehen) rein, oder ein Auto fährt durch und spritzt einen nass: Pfützen nerven (oft). Dabei lohnt ein genauerer Blick auf »das kleinste Gewässer der Erde«, wie Ursula Kosser und Susanne Bergius die Pfütze nennen. Ihr Buch »Die Wunderwelt der Pfützen« ist unterhaltsam, informativ und spektakulär bebildert. Ästhetisch gibt die Pfütze einiges her. Mit den vielen guten, von Bergius geschossenen Farbbildern, auf denen in Pfützen Gespiegeltes zu bestaunen ist, hätte aus dem schmalen Werk auch ein hochpreisiges Kaffeetischbuch werden können.
In einem Duktus, den Plaudertonkritiker als Plauderton bezeichnen würden, nähern sich Kosser und Bergius der Pfütze sprunghaft von allen Seiten, mit Vorliebe der sinnlich-konkreten. Die Autorinnen empfehlen unter anderem, zwecks Gemütsaufhellung und Freiheitsgefühl in Pfützen zu springen und zu planschen. Außerdem raten sie dazu, Pfützen und ihre Bewohner aus der Nähe zu begutachten.
Pfützen entstehen in Vertiefungen, wo Regen- oder Flusswasser nicht gleich abläuft. Viele Tiere holen sich hier Schlamm für Nester oder Salze und Mineralien, die sie mit ihrer üblichen Nahrung nicht aufnehmen können. Pfützen sind temporäre Gewässer, sie können austrocknen und sich neu bilden. Diesem Rhythmus haben sich einige Organismen angepasst. Urzeitkrebse und Einzeller wie Rädertierchen buddeln sich in die Erde ein, sobald das Wasser versiegt. Sie bilden Schutzhüllen aus und ziehen sich, gern samt Eiern, in ein »Dauerstadium« zurück, eine Art Schockstarre. Bei genug Regen[1] erwachen sie wieder zum Leben. Aus den Dauereiern können teilweise nach Jahrhunderten noch Tiere schlüpfen.
Dass der Sprung vom Anorganischen zum Organischen, also dem Ursprung des Lebens, im Wasser stattgefunden hat, ist schon länger Konsens. Aber in welchem Gewässer genau? Als heiße Kandidaten werden in jüngster Zeit Seichtgewässer wie die Pfütze gehandelt.
Eine frische Pfütze, deren Wasser sich schnell erwärmt, wirkt wie ein Brutkasten und zieht weitere Organismen an. Pfützen, die länger als ein, zwei Tage ungestört stehen, entwickeln sich rasch zu Hotspots der Artenvielfalt. Zudem dienen sie als Zwischenspeicher, ehe Regenwasser ins Grundwasser absickert.
Diesen Doppelnutzen für unsere natürlichen Kreisläufe bieten insbesondere tiefe Pfützen auf komprimierter Erde. Diesen Typ finden Kosser und Bergius häufig auf Truppenübungsplätzen. Panzer durchfahren hier regelmäßig Senken, die dadurch nicht verlanden und zuwachsen und so etwa der Gelbbauchunke[2] Rückzugsorte bieten. Die meisten Pfützen verschwinden dagegen schnell, sind unter anderem wegen Versiegelung nur sehr klein oder entstehen gar nicht erst.
Kossers und Bergius’ Buch zeigt, dass nur eine Welt mit vielen gediegenen Pfützen eine lebenswerte ist. Dafür braucht es Bodenentsiegelung, Wiedervernässung und Renaturierung, dann haben Panzer- und Truppenübungsplätze auch ihre letzte Daseinsberechtigung verloren. Und die Gelbbauchunke müsste nicht länger in einer Panzerrille ihr Dasein fristen.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1176420.planschen-heute-kommst-du-mit-in-die-pfuetze.html