»Nur lokale Fans sind willkommen. Wir haben es nicht vergessen!« Ein Banner mit dieser Aufschrift vor der Bar Casa Pin in Sichtweite des Stadions Camp Nou zielte am Dienstagabend auf den 14. April 2022. Damals waren 30 000 Fans von Eintracht Frankfurt in Barcelona eingefallen – darunter auch welche, die sich daneben benahmen. Neben dem Vandalismus der Fans warfen damals zu allem Überfluss auch noch Frankfurts Fußballer im Viertelfinale der Europa League den FC Barcelona mit einem 3:2-Auswärtssieg aus dem Wettbewerb – und krönten sich 42 Jahre nach dem Erfolg im Uefa-Pokal am Saisonende selbst mit dem zweiten europäischen Titel der Vereinsgeschichte.
An diesem 9. Dezember war es nun Eintracht Frankfurt, die als erste europäische Gastmannschaft im neuen, aber erst halbfertigen Camp Nou auflief. Seit dem Sommer 2023 wird das Stadion umgebaut und modernisiert: Ursprünglich nur auf ein Jahr angelegt, dauerte es tatsächlich 1054 Tage, bis nach dem letzten Spiel in der Champions League im Oktober 2022, das gegen Bayern München mit 0:3 verloren ging, nun wieder auf höchster europäischer Ebene im Camp Nou gespielt wurde. Und weil der finanziell angeschlagene FC Barcelona auf Zusatzeinnahmen aus dem Rechteverkauf jedweder Art dringend angewiesen ist, heißt das Stadion derzeit Spotify Camp Nou. Am Ende wird der Umbau mindestens 1,5 Milliarden Euro verschlingen, die ähnlich wie das Sondervermögen für die Bundeswehr außerhalb des normalen Etats veranschlagt werden, größter Kreditgeber ist die Hausbank Goldman Sachs.
»Die Eintracht hat fantastisch verteidigt. Es gab keinen Platz.«
Hansi Flick Trainer FC Barcelona
Die große Invasion Eintracht-Anhänger blieb diesmal aus. Damals hatten sich die Frankfurter Fans auf allen möglichen legalen und illegalen Wegen um Eintrittskarten bemüht und damit reüssiert: Zehntausende schafften es in das Stadion auf Plätze, die eigentlich den Heimfans vorbehalten sind und machten die Partie zu einem Heimspiel.
Solch ein Szenario sollte diesmal unbedingt vermieden werden. Und so war der Kartenverkauf jenseits der vorgeschriebenen 2400 Gästekarten so restriktiv wie nie: nur für Barça-Fans, personalisiert und nur per App. Das erklärt die mit 38 439 niedrige Zuschauerzahl, in den drei bisherigen Ligaspielen kamen jeweils rund 45 000. Viel mehr geht noch nicht in dem Stadion, in dem später 105 000 Fans jubeln sollen.
Wie auf den Rängen bestimmte auch auf dem Rasen der spanische Meister und Pokalsieger das Geschehen. Barça setzte Frankfurt von Beginn an mit Pressing und Gegenpressing unter Druck, hatte 75 Prozent Ballbesitz, kam aber in der ersten Halbzeit nur zu wenig klaren Chancen. Die Frankfurter machten geschickt die Räume dicht und nutzten in der 21. Minute gleich den ersten zielgerichteten Konter zu einem Tor: Ansgar Knauff ließ nach einem Traumpass von Nathaniel Brown dem starken Barça-Keeper Joan García, der den deutschen Nationaltorwart Marc-André ter Stegen als Nummer eins abgelöst hat, keine Chance.
Die Halbzeit nutzte Barcelonas Trainer Hansi Flick für eine Umstellung: Der englische Nationalspieler Marcus Rashford wurde für den spanischen Nationalspieler Fermín López eigewechselt, Raphinha spielte fortan im offensiven Zentrum, Rashford rückte auf den linken Flügel. Dieser Wechsel zündete: Der 28-jährige Engländer brach gleich in den ersten Minuten der zweiten Halbzeit mehrfach auf seiner Seite durch und ermöglichte des Gastgebern somit einige gefährliche Aktionen vor dem Frankfurter Tor. Mit einer seiner scharfen Flanken bereitete er in der 50. Minute das Kopfballtor des Rechtsverteidigers Jules Koundé vor, der bis dahin nur als Unsicherheitsfaktor in der Abwehr aufgefallen war. Drei Minuten später Koundé der Matchwinner: Nach einer Flanke des 18-jährigen Lamine Yamal nickt er den Ball erneut per Kopf zum 2:1 ein.
Das Spiel war gedreht und fortan behielt Barcelona es unter Kontrolle. Frankfurt wehrte sich zwar weiterhin tapfer, kam aber nicht mehr zu klaren Chancen. Dennoch konnte die Eintracht nach dem vorangegangenen 0:6 gegen Leipzig in der Bundesliga nun erhobenen Hauptes das Camp Nou verlassen. »Die Eintracht hat fantastisch verteidigt«, lobte Barça-Coach Flick: »Es gab keinen Platz.«
Barça hat nun das vierte Spiel hintereinander nach einem 0:1-Rückstand gedreht und gewonnen, zweimal 3:1, einmal 5:3 und nun 2:1. Nach leicht stotterndem Saisonstart läuft es wieder für Flick und sein Baby-Barça. Am Wochenende hatte Barcelonas Startelf ein Durchschnittsalter von 23 Jahren – die jüngste Aufstellung in 95 Jahren. Die sportliche Zukunft steht auf deutlich sichereren Beinen als die finanzielle.