nd-aktuell.de / 17.09.2008 / Brandenburg / Seite 13

Mehrwertsteuer gab es nicht

Film über DDR-Mangelwirtschaft und Schwarzmarkt-Schneider in Prenzlauer Berg

Andreas Fritsche

Der Student Tom Hendel nähte Jacken. 30 Mark kostete ihn das Material, Stoff und Textilfarbe waren ja spottbillig. Das Problem bestand lediglich darin, sie zu ergattern. Hendel verkaufte die Jacken dann für 350 Mark das Stück. Esther Friedemann verdiente an einem Tag mehr als ihre Eltern im Monat. Möglich machten dies die Versorgungsengpässe in der DDR. Es gab zwar ausreichend Kleidung in den Läden, aber nicht unbedingt die schrille Mode, die viele Jugendliche in den 80er Jahren tragen wollten.

Holly Tischman und Sabine Michel haben einen Dokumentarfilm über ein Dutzend Menschen aus Prenzlauer Berg gedreht, die seinerzeit für den Schwarzmarkt produzierten. »Mit Fantasie gegen den Mangel – Leben im Schatten der Planwirtschaft« wird morgen im Kino Babylon gezeigt. Die Regisseure sind anwesend.

Hergestellt wurden Jacken, die man statt mit Reißverschlüssen oder Knöpfen mit Scharnieren und Nägeln verschloss. Schmuck bastelten die findigen jungen Leute aus einer Rolle Silberdraht, die sie sich für 2,99 D-Mark aus dem Westen mitbringen ließen. Eingenommen haben sie damit 2000 Mark. Verkloppt wurden die Erzeugnisse auf dem Schwarzmarkt, unter anderem an der Mole von Warnemünde, wo Urlauber zugriffen, aber auch ganz offiziell an Ständen während der 750-Jahr-Feier in Ostberlin.

Die gewaltigen Gewinnspannen versprachen einen Haufen Geld. Übrig geblieben ist nichts. Kein Wunder! Die jungen Leute bestellten sich in Bars Getränke für 17 Mark, erwarben »aus Dekadenz« einen Wagen für 70 000 Mark und warfen auf der Autobahn Bündel mit Geldscheinen buchstäblich zum Fenster hinaus. Das macht sie nicht gerade sympathisch. Immerhin aber sind sie ehrlich. Carsten Fibeler räumt Steuerhinterziehung »in großem Stil« ein. Der Staat habe wohl darüber hinweggesehen, weil Konsumgüter entstanden. Im Nachhinein schwärmen die Schwarzmarkt-Schneider von der DDR, wo das Leben sozial abgesichert und nicht grau gewesen sei: »Rosige Zeiten – es gab ja keine Mehrwertsteuer.«

18.9., 21.15 Uhr, Kino Babylon Mitte, Rosa-Luxemburg-Straße 30, Eintritt: 6,50 Euro