nd-aktuell.de / 14.11.2008 / Politik / Seite 8

Medwedjew bietet Raketen-Nulloption

Berlusconi zeigt Verständnis für Russland

Paris/Rom (dpa/AFP/ND). Der russische Präsident Dmitri Medwedjew hat im Streit um die Aufstellung weiterer Raketen in Mitteleuropa eine »Nulloption« angeboten. Außerdem plädierte er für ein »umfassendes Sicherheitssystem« für die Europa, Russland und die USA. Moskau sei bereit, auf die Stationierung von Raketen in der russischen Exklave Kaliningrad (dem Gebiet um das frühere Königsberg) zu verzichten, wenn die USA ihre Stationierungspläne für Polen aufgäben, sagte Medwedjew der Pariser Zeitung »Le Figaro« vom Donnerstag vor dem EU-Russland-Gipfel am heutigen Freitag in Nizza. Der gewählte US-Präsident Barack Obama scheine die Frage zu überdenken.

Medwedjew warf Washington vor, die Raketenstationierung »ohne Zustimmung Europas oder der NATO-Partner« beschlossen zu haben. Moskaus Fragen, gegen wen die Raketen gerichtet und wie effizient sie seien, seien nicht befriedigend beantwortet worden. Außerdem habe Washington nicht auf das Moskauer Angebot geantwortet, im Rahmen eines umfassenden Sicherheitssystems die Radarsysteme in Aserbaidshan zu nutzen. Er spielte damit auf die Behauptung der USA an, die Raketen sollten gegen einen Angriff aus Iran schützen. »Wir können nicht untätig bleiben, wenn einseitig Raketen und Radarstationen aufgestellt werden«, sagte Medwedjew.

Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi hat die US-Pläne für ein Raketenabwehrsystem in Mitteleuropa als unnötige Provozierung Moskaus bezeichnet. Wie italienische Zeitungen am Donnerstag berichteten, führte er am Vorabend in Izmir (Türkei) in diesem Zusammenhang auch die Anerkennung der Unabhängigkeit Kosovos und eine mögliche Öffnung der NATO gegenüber Georgien und der Ukraine als Provokationen an. Berlusconi habe den russischen Regierungschef Wladimir Putin verteidigt und den amtierenden US-Präsidenten George W. Bush kritisiert, schrieb der Mailänder »Corriere della Sera«. Zudem erklärte Berlusconi, ein amerikanisch-russisches Treffen sei notwendig, um eine Rückkehr des Kalten Krieges zu verhindern. Die Äußerungen Berlusconis wurden in Rom als »Botschaft« an Barack Obama und Abkehr von Bush gewertet.

Außerdem sprach sich Berlusconi für einen schnellen EU-Beitritt der Türkei aus. »Die Erweiterung ist im Interesse der (Europäischen) Union, und die Türkei muss dazugehören«, sagte Berlusconi nach einem Treffen mit seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan.