nd-aktuell.de / 14.11.2008 / Politik / Seite 1

Eine Fälschung will Wahrheit

Aktionsgruppe in den USA imitierte »New York Times« und fand reißenden Absatz

Jürgen Reents
»Irak-Krieg beendet«, »US-Gefangenenlager Guantanamo Bay geschlossen«, »Patriot Act aufgehoben«, »Bush wegen Hochverrats angeklagt«, »Ölkonzerne verstaatlicht – Gewinne in Klima-Rettungsfonds eingespeist«: Es waren durchweg hoffnungsvoll gute Nachrichten in einer Sonderausgabe der »New York Times«. Nur: Die 14-seitige Zeitung war eine Fälschung. Eine »Kommunikationsguerilla« hatte sie im Originaldesign der NYT erstellt und in einer Auflage von 1,3 Millionen Exemplaren gedruckt.

Tausende Freiwillige verteilten das Imitat am Mittwoch mit großer Resonanz in mehreren US-Städten. Dass diese Aktion der Künstlergruppe »The Yes Men« zuvor nicht durchsickerte, deutet auf ein recht gut organisiertes Netzwerk von Initiativen hin, die das Ende der Bush-Ära und den bevorstehenden Amtsantritt von Barack Obama für einen tatsächlichen gesellschaftlichen Aufbruch in den USA nutzen wollen. Die Herausgeber der echten New York Times reagierten zurückhaltend auf den Coup; sie merkten an, dass das Original nicht kostenlos angeboten werde. Nach Angaben der subversiven Zeitungsmacher waren unter den 30 Autoren auch Mitarbeiter der echten NYT. Im NYT-Webblog schrieb deren langjähriger Reporter und Pulitzer-Preisträger Alex S. Jones respektvoll, die Fälschung sei ein »riesiges Kompliment für die Times«.

Die »Sonderausgabe« trägt als Datum den 4. Juli – den Tag der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776. In deren Präambel heißt es, »dass alle Menschen gleich erschaffen und von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt wurden, wozu Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit gehören«; dass zur »Sicherung dieser Rechte« Regierungen existieren, »die ihre gerechte Gewalt aus der Einwilligung der Regierten herleiten; dass sobald eine Regierungsform diese Zwecke zu zerstören beginnt, es das Recht des Volkes ist, diese zu verändern oder abzuschaffen, und eine neue Regierung einzusetzen, die auf solchen Prinzipien gründet und ihre Macht so gestaltet, wie es dem Volk am besten erscheint, um seine Sicherheit und Glückseligkeit zu gewährleisten«.

Als gute Nachricht bleibt: Das »andere Amerika« begnügt sich nicht mit der Bush-Abwahl. Es will mehr: den wirklichen Wandel.