nd-aktuell.de / 17.04.2009 / Politik / Seite 13

Anarchismus von heute

Die 50 Themenfelder des Kongresses umreißen die Welt des aktuellen Anarchismus recht gut. Von A wie »Anarchofeminismus«, über G wie »Gemeinsamkeiten von Basisdemokratie und Anarchismus« bis Z wie »Zur Aktualität anarchistischer Theorie und Praxis« reichte die Palette. Überlaufen war die Veranstaltung der israelischen Aktivisten von »Anarchists against the Wall«, die über ihren gewaltfreien Kampf gegen Besatzung und Krieg berichteten. Auch die Veranstaltung über die Repression gegen Anarchisten in Russland war gut besucht.

Wer Wert auf Theorie legte, kam bei Jürgen Mümken auf seine Kosten. Der Buchautor plädierte für einen Postanarchismus. »Weil Staat, Kapital und Patriarchat ihr Gesicht verändert haben, reicht das Vokabular der Moderne, wozu auch der Anarchismus zählt, zur Analyse und Kritik der gegenwärtigen Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse nicht mehr aus«, begründete Mümken seine Synthese von Anarchismus und Postmoderne.

Ein Plädoyer für eine radikale Arbeitszeitverkürzung lieferte Daniel Dante. Seinen Klarnamen wollte er nicht nennen, weil er Nachteile in seinem Beruf befürchtet. Er hat errechnet, dass mit der heutigen Technik fünf Stunden Arbeit pro Woche vollauf genügen würden, »ohne dass auch nur für einen von uns eine Einbuße im Luxus oder in der Lebensqualität entsteht«.

Ein großer Teil der Workshops kreiste um die Frage: Wie kann man anarchistisch leben im Hier und Heute? Es gab Tipps für Hausbesetzungen bis hin zum Austausch über »Anarchistisch leben auf dem Lande«. Andere Themen hätte man dagegen kaum hier vermutet: So informierte ein Referent über die Grundsätze einer anarchistisch orientierten Vereinssatzung. Dieser Punkt hat durchaus Relevanz. Schließlich wickeln auch Anarchisten einen Teil ihrer politischen Arbeit über Vereine ab. PN