nd-aktuell.de / 13.06.2009 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 9

Die Kreditfalle

Studie: Viele Verbraucher überschuldet

Grit Gernhardt
Immer mehr Menschen in Deutschland sind überschuldet. Das zeigt der aktuelle Schuldenreport von Verbraucherzentralen, Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Diakonie, dem Paritätischen Wohlfahrtsverband und dem Deutschen Roten Kreuz, der am Freitag in Berlin vorgestellt wurde.

In der Konsumgesellschaft ist es fast unvermeidlich, Schulden zu machen. Eine Privatinsolvenz ist immer häufiger das Ergebnis. In Deutschland sind drei bis vier Millionen Haushalte überschuldet, schätzen Experten. Doch ist keineswegs nur unkontrolliertes Einkaufen die Ursache der Schuldenberge: Von 82 000 Personen, die 2007 eine Schuldnerberatung in Anspruch nahmen, gab fast ein Drittel an, wegen Arbeitslosigkeit in die Überschuldung geraten zu sein. Knapp 13,5 Prozent sagten, eine Trennung beziehungsweise ein Todesfall sei der Grund gewesen. So verwundert es nicht, dass 14 Prozent der Beratenen alleinerziehende Frauen waren, obwohl sie nur sechs Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen. Insgesamt hatten 37 Prozent der Hilfesuchenden Kinder zu versorgen.

Ebenfalls auffällig: Die Schuldenfalle trifft nicht nur Ungelernte oder Menschen ohne Schulabschluss – rund zwei Drittel der Beratenen hatte eine abgeschlossene Berufsausbildung oder ein Studium. Allerdings ist anzunehmen, dass viele Betroffene aus Scham oder Unkenntnis den Weg zur Schuldnerberatung nicht gehen.

Eine weitere Erkenntnis des Schuldenreports ist, dass das Durchschnittseinkommen von 56 Prozent der Beratenen bei unter 900 Euro monatlich lag – bei einer durchschnittlichen Schuldenlast von rund 28 000 Euro. Die Autoren der Studie glauben, dass diese Schulden zu einem großen Teil durch falsche Beratungen der Banken entstanden sind. Vielfach hätten sie Kreditnehmer, die ihre Raten nicht mehr zahlen konnten, durch Umschuldungen noch tiefer in die Schuldenfalle geführt. Damit sei die Kreditwirtschaft »in der Pflicht, überschuldeten Verbrauchern mit Sofortmaßnahmen entgegenzukommen«, so Gerd Billen, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbandes.

Die wichtigsten Forderungen der Sozialverbände und Verbraucherzentralen richten sich deshalb an Banken und Politik. Sie verlangen – neben einer besseren Finanzbildung der Bevölkerung – pfändungsgeschützte Girokonten für alle, eine verantwortlichere Kreditvergabe der Banken und die finanzielle Beteiligung der Kreditwirtschaft an einer weiter ausgebauten Schuldnerberatung.

Und die Zeit drängt: Durch die Krise droht Hunderttausenden die Arbeitslosigkeit und so vielleicht bald der Weg in die Privatinsolvenz, den seit 1999 schon 500 000 Deutsche antreten mussten.