nd-aktuell.de / 17.10.2009 / Politik / Seite 4

Wüstensohn

Der Sohn des libyschen Staatschefs wird zweiter Mann im Land

Libyen hat seit der Revolution vor 40 Jahren keinen König mehr. Dennoch sieht es so aus, als sollte ausgerechnet derjenige, der 1969 die Monarchie abschaffte und seitdem Staatsoberhaupt ist, die Vererbbarkeit des höchsten Amtes beibehalten wollen. Nutznießer dessen wäre Saif al-Islam al-Gaddafi, zweites von acht leiblichen Kindern des Revolutionsführers. So berichteten es »Korina« und andere libysche Zeitungen diese Woche, und so sollen sich auch sogenannte Vertreter kommunaler Führungsgruppen der Hauptstadt Tripolis geäußert haben.

Dem Vernehmen nach soll Saif al-Islam »erweiterte Vollmachten« erhalten – wobei? Das wurde nicht bekannt gegeben, aber man stellt sich hierzulande wohl eher zu wenig als zu viel darunter vor. Wenn der Revolutionsführer in Geberlaune ist – und es wird wohl sein Wille sein, der hier verkündet wurde –, zahlt er nicht in kleiner Münze. Die Aufgaben von Gaddafi senior, der aber mit 67 gewiss noch nicht an Abschied denkt, wenn man sich seiner kürzlichen Rede vor der UNO erinnert, sind ja ebenfalls nirgendwo verfassungsrechtlich formuliert. Er ist seit 30 Jahren einfach Revolutionsführer. Saif al-Islam wird nun »Koordinator für Fragen des Volkes«.

Saifs älterer Bruder Muhammad kam wohl nicht in Frage, weil er sich mehr für Sport interessiert. Saif al-Islam dagegen mischt schon lange in der Politik mit – durchaus mit Achtungszeichen. Der 37-Jährige hatte sich nach einem entsprechenden Studium in Tripolis und Wien zunächst als Architekt hervorgetan, von der Moschee bis zum Stadion.

International aufhorchen ließ er danach als Vorsitzender der »Internationalen Gaddafi-Stiftung für wohltätige Organisationen«. In dieser Eigenschaft gelangen ihm aufsehenerregende Vermittlungserfolge. So erwirkte er 2000 die Freilassung auch deutscher Geiseln auf der Philippinen-Insel Jolo. Der deutsche Dank fiel, was die Regierungsseite betrifft, spärlich aus. Saif al-Islam verhandelte auch die kniffligen Reparationsfragen für die Opfer des Attentats auf die Westberliner Diskothek »La Belle« und des Flugzeugattentats von Lockerbie. Was kaum jemand weiß: In Deutschland gab es auch schon eine Gemäldeausstellung von ihm. Thema: »Die Wüste ist nicht still«.

Roland Etzel