nd-aktuell.de / 20.01.2010 / Kommentare / Seite 8

Seuchengefahr

Markus Drescher

In diesem Jahr herrscht wieder akute Seuchengefahr unter bundesdeutschen Werktätigen: Betriebsratswahlen stehen an. Viele Unternehmen sind bereits seit Jahrzehnten an Mitarbeitervertretungen erkrankt. Symptome: unnötige Einschränkung der unternehmerischen Entfaltungsmöglichkeit, einhergehend mit notorischer Nörgelei an unverzichtbaren Reduzierungen des Humankapitals. Andere Betriebe konnten bisher eine Infizierung vermeiden. Dort können sich gottlob die gesunden Kräfte des (Arbeits-)Marktes noch frei entfalten. Sie sind nicht »betriebsratsverseucht«.

Worte sind Ausdruck des Denkens. Menschen, die sich des Wortes »betriebsratsverseucht« bedienen, halten wenig von anderen Menschen, ihren Rechten und Interessen. Sie denken in Verwertungskategorien. Und was stört eine ungehinderte Ausbeutung mehr als Krankheit – und Betriebsräte. Zur Gleichsetzung ist es da nur ein kleiner Schritt. Fast jährlich landen Termini des unternehmerischen Sprachgebrauchs auf der Liste der als Unwörter gerügten Begriffe: Humankapital, Entlassungsproduktivität, Personalentsorgung, Belegschaftsaltlasten ... Die menschenverachtende Wortwahl rückt so einmal im Jahr für kurze Zeit ins Rampenlicht. Dem dementsprechenden Handeln sind Menschen das ganze Jahr über ausgesetzt. Umso mehr dort, wo es keine Mitarbeitervertretung gibt. Deshalb: Her mit der Betriebsratspandemie!

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