- Kommentare
- kommentiert
Seuchengefahr
In diesem Jahr herrscht wieder akute Seuchengefahr unter bundesdeutschen Werktätigen: Betriebsratswahlen stehen an. Viele Unternehmen sind bereits seit Jahrzehnten an Mitarbeitervertretungen erkrankt. Symptome: unnötige Einschränkung der unternehmerischen Entfaltungsmöglichkeit, einhergehend mit notorischer Nörgelei an unverzichtbaren Reduzierungen des Humankapitals. Andere Betriebe konnten bisher eine Infizierung vermeiden. Dort können sich gottlob die gesunden Kräfte des (Arbeits-)Marktes noch frei entfalten. Sie sind nicht »betriebsratsverseucht«.
Worte sind Ausdruck des Denkens. Menschen, die sich des Wortes »betriebsratsverseucht« bedienen, halten wenig von anderen Menschen, ihren Rechten und Interessen. Sie denken in Verwertungskategorien. Und was stört eine ungehinderte Ausbeutung mehr als Krankheit – und Betriebsräte. Zur Gleichsetzung ist es da nur ein kleiner Schritt. Fast jährlich landen Termini des unternehmerischen Sprachgebrauchs auf der Liste der als Unwörter gerügten Begriffe: Humankapital, Entlassungsproduktivität, Personalentsorgung, Belegschaftsaltlasten ... Die menschenverachtende Wortwahl rückt so einmal im Jahr für kurze Zeit ins Rampenlicht. Dem dementsprechenden Handeln sind Menschen das ganze Jahr über ausgesetzt. Umso mehr dort, wo es keine Mitarbeitervertretung gibt. Deshalb: Her mit der Betriebsratspandemie!
www.unwortdesjahres.org/
Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser*innen und Autor*innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen
Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.