nd-aktuell.de / 08.10.2010 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 10

Internet reißt Barrieren nieder und baut neue

Neue Informationsmöglichkeiten verändern das Verhältnis zwischen Arzt und Patient

Andreas Knudsen, Kopenhagen
Eine dänische Studie hat den Einfluss des Internets auf das Verhältnis zwischen Arzt und Patient untersucht.

Ups, merkwürdige Flecke auf der Haut samt Schwellung? Mal sehen, was Dr. Google dazu sagt. So reagiert eine wachsende Gruppe von Patienten, die bei vermuteten Leiden zunächst das Internet durchforschen.

Der (all-)wissende Arzt hat längst ausgedient, doch der geforderte Expertenpatient, der eine präzise Diagnose aus zugänglichen Informationen stellt, ist trotzdem noch eine Seltenheit. Voraussetzung für eine genaue Suche ist nämlich das Wissen, wonach eigentlich gesucht werden muss und wie das Gefundene zu bewerten ist. Der Patient wird in steigendem Maße mit unsortierten Informationen konfrontiert, was oft in unrealistische Erwartungen zu Behandlungsmöglichkeiten und Heilungsaussichten mündet. Im schlimmsten Fall schlägt der Patient dem Arzt Behandlungen vor, von denen dieser noch nie gehört hat, was dessen fachliche Autorität untergräbt und zu einem abweisenden Verhalten gegenüber einem als Problem aufgefassten Patienten führt. Studien haben gezeigt, dass der internetsurfende Patient beim Arzt mehr Zeit beansprucht, dass Konsultationen länger und teurer werden.

Negativ auf eine Behandlung wirkt sich auch aus, wenn der Patient sein erworbenes Halbwissen gegenüber dem Arzt zurückhält. Dann lässt er offen, ob und in welchem Umfang er der vorgeschlagenen Behandlung folgen wird. Hier entwickelt sich eine Verhandlungssituation, die dazu führen kann, dass der Patient so viele Ärzte aufsucht, bis er einen Mediziner gefunden hat, der sich seinen Wünschen beugt.

Der Verbraucherpatient, so das Ergebnis einer aktuellen dänischen Studie, spiegelt im gewissen Umfang die Gesellschaftsentwicklung wider. Eine ähnliche Rolle spielen Patientenvereine, die um bestimmte Krankheiten herum aufgebaut werden. In Foren werden Krankheitsverläufe und Medizindosierungen ausgetauscht, die falsche Erwartungen oder Forderungen auslösen können, die der Arzt nicht erfüllen kann.

Generell kritisch bewertet die Studie die im Internet zur Verfügung stehenden Quellen. Die meisten Homepages werden von Firmen und Organisationen mit kommerziellen Interessen betrieben. Das Marketing der Pharmaunternehmen beeinflusst das Denken der Patienten. Deshalb, so die Studie, ist es wichtig für die Gesundheits- und Verbraucherschutzbehörden in der EU, dem Druck der Industrie zu widerstehen, die sich gern direkt an die Patienten wenden möchte. Das Gesundheitswesen müsse sich die Aufgabe stellen, Informationen auf solider wissenschaftlicher Grundlage der Öffentlichkeit zu präsentieren und den Bekanntheitsgrad wirklich unabhängiger Quellen wesentlich zu verbessern.