Eine katholische Beichte. Provisorisch eingerichtet: Eine dünne Wand trennt die Beteiligten. Wie im Fernsehen, bei »Herzblatt«, wo sich ein Kandidat auf die ihm unbekannte Umworbene freut. Der Unterschied zur Beichte: Bei der TV-Sendung hebt sich zum Schluss die Wand, und die Zwei schauen sich überrascht und bang an. Ja, bang, denn sie sind gefesselt ans hämische Gesetz der Natur: Bevor man nämlich das sieht, worüber man lange redet, schafft sich die Erwartung ihr eigenes Bild – das stets ein gesteigertes ist. Ein Bild, dem erfahrungsgemäß keine Realität standhalten kann. So gründet hohe Erwartung jene Freude, der das Reale dann den Enttäuschungsschmerz beigibt. Bleiben Erwartung und Enttäuschung im verlässlich haltbaren Gespräch, nennt man's wohl Liebe.
Manchmal glaubt man, Kirche wie Ideologie leiden an der gleichen tödlichen Krankheit: ihrem Mangel an Witz – immer wird der Mensch an eine Wand gedrückt oder gestellt. Dieses Foto aber schürt Hoffnung: Man fantasiert mit diebischer Freude, es würde gleich, wie im Fernsehen, die trennende Wand fallen. Schon sieht es ja so aus, als neige sie sich leicht – weil sich der Priester anzulehnen scheint. Vor Spannung oder aus Langeweile? Die tiefernste Situation (die Frau verbirgt das Gesicht in ihrer Hand) schiebt sich somit unmerklich, wenn wir nur wollen, ins Komische. Und diese Frau – verdeckt sie nicht nur deshalb das Gesicht, weil ihre Erschütterung gleich in ein unstatthaftes Lächeln gleiten wird?
Schönster Witz: Wo geglaubt wird, fallen Wände ...
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/204985.vorsicht-wand-faellt.html