nd-aktuell.de / 12.04.2012 / Brandenburg / Seite 11

Nach S-Bahn- die Stellwerkskrise?

Unternehmen bestreitet Vernachlässigung der Infrastruktur

Bernd Kammer

Nicht immer, wenn S-Bahnen ausfallen oder sich verspäten, ist die S-Bahn auch schuld. Sie ist selbst Opfer des Bahnkonzerns, zum Beispiel, wenn Stellwerke, Weichen oder Signale nicht funktionieren. Dafür ist die Bahn-Tochter DB-Netz zuständig. Offenbar sind die Mängel in der Infrastruktur größer als bislang bekannt. Die Pannen im vergangenen milden Winter gingen auf fehlende Modernisierungen der Stellwerke zurück, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters aus internen Unterlagen des Bahnkonzerns, die ihr zugespielt wurden. Störungen seien auf das Alter der Anlagen zurückzuführen, heißt es darin. Drei Viertel der Stellwerke arbeiteten mit einer mehr als 20 Jahre alten Technik. Nötig sei daher das Aufsetzen eines Sonderprogramms Leit- und Sicherungstechnik. Dafür müssten in den nächsten zehn Jahren 1,5 Milliarden Euro aufgewendet werden.

Diese Summe bestätigte die Bahn gestern nicht. Stattdessen wies sie die Darstellung zurück, dass zu wenig in die S-Bahn-Infrastruktur investiert worden sei. Von 1994 bis 2011 seien rund 2,3 Milliarden Euro verbaut worden und bis 2016 rund 720 Millionen Euro fest eingeplant. Auch danach würden jährlich Millionenbeträge in die S-Bahn-Infrastruktur fließen.

Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) fordert seit langem von der Bahn verstärkte Investitionen in das S-Bahn-Netz. In seiner Qualitätsbilanz für Februar machte er »zahlreiche Infrastrukturstörungen« für die gegenüber dem Vormonat um zwei Prozent auf 93,8 Prozent gesunkene Pünktlichkeit der S-Bahn-Züge verantwortlich. »Wenn die S-Bahn ihre selbst verschuldeten Fahrzeugmängel und Personalengpässe in den Griff bekommt, wäre es schön, wenn auch das Netz entsprechend funktionieren würde«, sagte VBB-Chef Hans-Werner Franz.

Die Bahn verweist auf die neue elektronische Stellwerkstechnik, die zusammen mit der Ringbahnhalle am Ostkreuz kommenden Montag in Betrieb genommen wird. Damit sei die gesamte Ringbahn ebenso wie die Stadt- und Nord-Süd-Bahn mit modernster Stellwerkstechnik ausgerüstet. Mehr als 75 Prozent der S-Bahnstrecken würden dann über Stellwerkstechnik der neuesten Generation verfügen.