nd-aktuell.de / 18.06.2012 / Kultur / Seite 15

MOSEKUNDS MONTAG

ZEICHEN GESETZT

Wolfgang Hübner

Herr Mosekund wollte einen Welterklärungsessay schreiben - aber einen, bei dem die Leser das Ende noch aktiv miterleben. In der Kürze liegt die Würze, sagte er sich und kochte seine gesamte Lebenserfahrung auf drei Sätze ein. Über jeden einzelnen hatte er sieben Stunden nachgedacht, und wenn er sie erneut las, war er beeindruckt von der Dichte, Tiefe, Breite und Höhe der Gedanken. Als er die Datei am Computer abspeichern wollte, erschien jedoch immer wieder die Fehlermeldung »Befehl nicht ausführbar. Es steht nicht genügend Arbeitsspeicher zur Verfügung«. Merkwürdig, murmelte Herr Mosekund, der Text ist doch so kurz. Er klickte in der Fehlermeldung auf »Details« und las: »Extrem komprimiertes Gedankengut kann zur Überlastung des Rechners führen. Sie sollten ein geeignetes ZIP-Programm benutzen.« Die Mühe kann ich mir auch sparen, dachte Herr Mosekund und schreibt seitdem keinen Essay mehr unter 100 000 Zeichen.