nd-aktuell.de / 06.08.2012 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 10

Aus dem Lebenszyklus des Erdöls

Edward Burtynskys Fotos zeigen Landschaftsveränderungen durch Energiekonzerne

Johanna Treblin
Der Kanadier Edward Burtynsky hielt Erdöl jahrelang für einen Segen, eine »Energiequelle, die alles möglich macht«. Dann geriet der Fotograf ins Zweifeln. Die Ausstellung »Oil« versammelt den Ertrag von zwölf Jahren Reisen um die Welt zum Thema Öl. Sie ist noch bis zum 9. September in der Galerie C/O Berlin zu sehen.

Kanada ist einer der weltweit größten Produzenten von Öl aus Teersanden. Die Gewinnung ist aufwendig und zudem extrem umweltschädlich. Als der kanadische Fotograf Edward Burtynsky begann, unser Streben nach Wohlstand und Wachstum zu hinterfragen, brachte ihn das immer wieder zum Erdöl zurück. Die Fotografien zeigen den »Lebenskreislauf« des Öls von seiner Förderung über den Transport des Rohstoffs in Pipelines und Tankern bis hin zum Ende seines Lebens - alte Flugzeugmotoren und Reifenhalden stehen dafür als Metapher.

Die meisten Bilder Burtynskys sind selbsterklärend und lohnen doch einen zweiten Blick. Fördertürme in Baku, Aserbaidschan, machen nicht einfach nur Eindruck ihrer Hässlichkeit wegen. Vielmehr wegen ihrer Fragilität, wegen des Rostes, der sich auf ihnen festgesetzt hat. Die Fördertürme stehen in großen Ölseen, der zähe Stoff glitzert in der Sonne. Die Entscheidung, Fotos von Baku zu machen, kommt nicht von ungefähr: Die Stadt ist eine der Geburtsstätten der modernen Erdölindustrie.

Auch das ist Thema bei Burtynsky: Ölschlieren im Meer, Bohrtürme im Golf von Mexiko und die große Ölkatastrophe vor der Küste der USA im April 2010, als die Bohrinsel Deepwater Horizon explodierte und über Monate hinweg insgesamt bis zu 800 Millionen Liter Öl ins Meer flossen.

Burtynsky fotografiert nicht einfach nur Autos, er zeigt, wie stark der Verkehr die Landschaft verändert. Er präsentiert in einer Luftaufnahme eine Autobahn in Los Angeles, die sich mit ihrer gewundenen Auf- und Abfahrt über sechs Ebenen zieht. Die Fahrbahnen sind teilweise - und das lediglich in eine Richtung - siebenspurig. Ein anderes Bild zeigt eine Brückenauffahrt in Schanghai. Wie über eine Wendeltreppe winden sich die Autos Kreis um Kreis nach oben. Burtynsky zeigt auch die Fankurve bei einem Autorennen - eines der wenigen Bilder, auf denen Menschen zu sehen sind, doch auch hier sind sie kaum mehr als bunte Flecken.

Auf einem einzigen in der Ausstellung gezeigten Foto ist ein einzelner Mensch abgelichtet: Auf einem Abwrackplatz für Schiffe in Chittagong (Bangladesh). Doch ist auch er nur Beiwerk, das Schiffsungetüm im Hintergrund dominiert das Bild.

All dies würde es ohne Öl nicht geben. Burtynsky machte Industriefotografie, »aus einer gewissen Ehrfurcht vor den Dingen, zu denen wir als Spezies in der Lage sind«, wie er im Begleittext zur Ausstellung schreibt. Nach zwanzig Jahren sah der Künstler Öl schließlich nicht nur als Energiequelle, sondern auch als »Bedrohung, die unseren Lebensraum immer mehr gefährdet«.