nd-aktuell.de / 01.09.2012 / Politik / Seite 8

Tony Blair, das rote Tuch

Friedensnobelpreisträger Tutu sagt Konferenzteilnahme wegen britischen Ex-Premiers ab

Reiner Oschmann
Auch gut fünf Jahre nach seinem Rücktritt taugt der britische Ex-Premier Tony Blair vorzüglich als rotes Tuch: Seine Teilnahme an einer internationalen Konferenz in Johannesburg hat den Friedensnobelpreisträger und früheren südafrikanischen Erzbischof Desmond Tutu jetzt dazu veranlasst, sich seinerseits zurückzuziehen.

Wie ein Sprecher des Anti-Apartheid-Aktivisten Tutu erklärte, habe der Discovery-Investment-Gipfel das Thema Führung gewählt. »Moral und Führung sind aber nicht zu trennen. Deshalb erscheint es dem Erzbischof unangemessen, gemeinsam mit Mr. Blair auf einem Podium zu erscheinen.« Desmond Tutu, so der Sprecher weiter, »vertritt die Ansicht, dass Mr. Blairs Entscheidung, die militärische Invasion Iraks durch die Vereinigten Staaten auf der Grundlage unbewiesener Behauptungen über die Existenz von Massenvernichtungswaffen zu unterstützen, moralisch unhaltbar« gewesen sei.

Das Büro des einstigen Labour-Regierungschefs (1997 - 2007) und heutigen Sondergesandten von UNO, EU, Russland und den USA, »bedauerte« Tutus Rückzug von dem Treffen. »Tony Blair tut es leid, dass der Erzbischof eine Veranstaltung verlässt, die seit Monaten feststeht und auf der er und der Erzbischof übrigens in keinem Fall zur selben Zeit zusammen auftreten sollten.« Was Irak betreffe, so »haben beide Männer immer unterschiedliche Auffassungen in der Frage vertreten, ob man Saddam Hussein mit Gewalt entfernen solle; solche Meinungsverschiedenheiten gehören zu einer gesunden Demokratie.«

Blairs zuletzt wieder verstärkte öffentliche Auftritte im In- und Ausland sind nach Ansicht britischer Medien Bestandteil offenkundiger Comeback-Versuche des mit 59 Jahren recht jungen Ex- Regierungschefs. In diesem Sommer formierte sich zu diesem Zweck in London eine Gruppe unter dem Namen »Tony Blair Associates«. Es folgten eine ganze Interviewserie für britische Zeitungen und das BBC-Fernsehen, Leitartikel in großen Blättern zum selben Thema, Blairs Berufung als Berater der heutigen in der Opposition befindlichen Führung der Labour Party sowie ein gemeinsamer Auftritt mit deren jetzigem Chef Ed Miliband. Er lobte dabei Blairs Verdienste - nach Ansicht mancher Beobachter - über den grünen Klee. Der bekannte Publizist Simon Jenkins schrieb sarkastisch, falls Blair wirklich Unsterblichkeit suche, könne er sie durch Buße erlangen. »Vielleicht ist die Welt reif für den Tony-Blair-Preis. Er könnte jährlich in einer bisher nicht bombardierten Hauptstadt der muslimischen Welt für unterwürfige Buße vergeben werden.«