nd-aktuell.de / 27.09.2012 / Politik / Seite 7

Der Quästor senkt den Daumen

Linke EU-Abgeordnete Zimmer zeigt Armutsausstellung trotz Verbots durch parlamentarische Verwaltung

Uwe Sattler
Eine Woche hätte sie gehen sollen: die Ausstellung »Armut in Polen« im Galeriebereich des Europäischen Parlaments in Brüssel. Nach der Ablehnung durch die Quästorenrunde wurde sie in den Fraktionsraum der linken GUE/NGL-Abgeordneten verbannt und musste noch am Mittwochabend abgebaut werden - gute zwei Stunden nach ihrer Eröffnung.

Die Ablehnung kam während der Parlamentsferien. »Bedauerlicherweise« könne er eine Fotoausstellung zur Armut in Polen im allgemein zugänglichen Bereich des EU-Parlaments nicht genehmigen, teilte Quästor Jim Higgins, der im parlamentarischen Verwaltungsgremium für die Ausstellung zuständig ist, der LINKEN-Abgeordneten Gabi Zimmer mit. Die Fotos könnten »schwere politische Kontroversen« auslösen, so der irische Konservative, und dies widerspreche den Regelungen des Parlaments. Zudem, so ließ Higgins durchblicken, stehe es einer Deutschen nicht zu, über Probleme in Polen zu informieren. Als letzter Ausweg blieb nur die »Flucht« in den Fraktionssaal der GUE/NGL, auf den die Quästoren keinen Zugriff haben.

»Ich kann in keiner Weise akzeptieren, dass ich als Abgeordnete den Mund halten soll, wenn Menschen in Armut leben oder sozial ausgegrenzt werden«, so Zimmer, die zugleich Fraktionschefin der GUE/NGL ist, gegenüber »nd«. Solche Zustände anzuprangern sei keine Frage der Staatszugehörigkeit und könne nicht an Ländergrenzen stoppen. Zumal sich die Linkspolitikerin bereits seit Jahren mit der sozialen Talfahrt in Ost- und Zentraleuropa beschäftigt. So organisierte sie unter anderem gemeinsam mit polnischen Aktivisten im November vergangenen Jahres einen Workshop zu dem Thema in Warschau.

In diesem Rahmen entstand auch die Idee der Fotoausstellung in Brüssel. »In Polen wird das Problem der Armut aus der öffentlichen Debatte verdrängt«, meint Zimmer. »Mit der Ausstellung im Parlament könnte man auch auf europäischer Ebene für diese Fragen sensibilisieren.« Die Bilder des Fotografen Krzysztof Ciemny, der die Aufnahmen in einem Band zum Beginn der Warschauer EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2011 veröffentlichte, illustrieren nicht nur den sozialen Notstand, sondern machen mit den beigefügten Daten und Fakten auf die wachsende Zahl von Menschen »am unteren Rand« der Gesellschaft aufmerksam.

Die Interventionen, die Zimmer nach der Ablehnung der Ausstellung beim Kollegium der Quästoren, im Parlamentspräsidium und beim Präsidenten Martin Schulz startete, blieben erfolglos. Zumindest vorerst. Denn der sozialdemokratische Parlamentschef Schulz will sich dafür einsetzen, dass die Fotos zu einem späteren Termin doch noch in der Parlamentsgalerie gezeigt werden. Und unerwartete Unterstützung erhielt Zimmer auch von anderer Seite: Der polnische Rechtskonservative Jerzy Buzek, Vorgänger von Schulz im Präsidentenamt, wünschte der Ausstellung und weiteren Initiativen in dieser Richtung viel Erfolg.

Dass eine Ausstellung verboten wird, ist für die Linke im EU-Parlament nicht neu. Von den vier in den vergangenen eineinhalb Jahren verbotenen Ausstellungen waren drei von GUE/NGL angemeldet worden. So wurde im Dezember die Genehmigung für die Fotoausstellung »Kurdistan - Borders of repression«, die der Abgeordnete Jürgen Klute ins Haus holte, widerrufen. Auch die Darstellung der Realität in Kurdistan hätte laut Quästoren zu »controversial political debates« führen können.