nd-aktuell.de / 25.09.1991 / Politik / Seite 5

Spanien: 108 Jahre für ETA-Jäger

CARL-GEORG BÖGE, Madrid

Das spanische Bundesgericht „Audiencia Nacional“ fällte jetzt das mit Spannung erwartete Urteil gegen die beiden Polizisten Jose Amedo und Michel Dominguez. Sie wurden wegen sechs Mordversuchen gegen Personen aus dem Umfeld der baskischen Terror-Organisation ETA zu je 108 Jahren Gefängnis verurteilt. Die GAL, die „Grupos Antiterroristas de Liberaciön“, sei jedoch nicht von der Regierung finanziert worden.

Ende 1983 hatte die Gruppe mit ihren Aktionen begonnen. Innerhalb von drei Jahren gab es vor allem in Südfrankreich etwa 20 Attentate, 30 Menschen starben. Die Anschläge wurden von gedungenen Mördern aus Frankreich und Portugal ausgeführt. Einige dieser „Legionäre“ belasteten in einem-Schlagzeilen machenden Prozeß die Polizisten schwer.

Aber ausgerechnet im aufsehenerregendsten Fall wurden die bei-

den für unschuldig erklärt. Als 1987 der junge Baske Juan Carlos Garcfa Goena sterben mußte - er war 1980 geflohen, um keinen Wehrdienst leisten zu müssen - war das Maß für eine ehemalige Freundin von Amedo voll: Sie brachte den Skandal ins Rollen. Während die drei Richter in ihrem Urteil befanden, die beiden Polizisten hätten „aus Motiven persönlicher Rache und Frustration“ gehandelt, meinen weite Teile der Öffentlichkeit, die Regierung sei über die Polizei an der blutigen Kampagne gegen das ETA-Umfeld beteiligt gewesen. Und zwar mit Geld aus dem Innenministerium, aus den „Verfügungsfonds“. Bewiesen werden konnte allerdings nichts. Das Gericht konnte nicht klären, woher Amedo und Dominguez die Gelder bezogen, mit denen sie zum einen die gedungenen Mörder bezahlten, aber auch hohe Summen im Spiel-

casino von San Sebastian ausgeben konnten. Aus Gründen der nationalen Sicherheit konnte auch das Innenministerium keine Details über diese Angelegenheit mitteilen. Für Regierungschef Gonzalez „gibt keine Beweise, und es wird sie niemals geben.“ Und Justizminister de la Quadra erklärte: „Die Regierung hat niemals bezweifelt, daß die GAL in keinerlei Verbindung zum spanischen Staat stand.“ Die Polizeigewerkschaft UFP bezeichnete die Aktionen von Amedo und Dominguez als „atypische Reaktion einer ganz kleinen Beamtengruppe vor dem Hintergrund, daß in einigen Bereichen der politische Wille zum Kampf gegen den Terrorismus fehlte. Das ist glücklicherweise nicht mehr so.“ Die Polizeigewerkschaften beantragten sogleich die Begnadigung von Jos6 Amedo und Michel Dominguez.