nd-aktuell.de / 23.12.1991 / Kultur / Seite 6

„Sankt Walter' und das .Zweite

können. Es blieb jedoch bei diesen ersten Überlegungen, denn eine Dezentralisierung der Fernseharbeit erschien den Politikbürokraten dann wohl doch, als zu „gewagt“. Das zweite Programm wurde also lediglich ein Ableger des vertrauten ersten, mit einem einzigen Unterschied: Das zweite Programm sollte künftig in Farbe senden, während das erste sein Informations- und Unterhaltungsprogramm weiter schwarz-weiß ausstrahlen sollte.

Von der gleichen Vorstellung, daß die Farbe im Fernsehen nicht mehr als ein entbehrlicher Luxus sei und die Schwarz-Weiß-Sendung weiterhin das Programm

bestimmen werde, war man zwei Jahre zuvor auch in Moskau ausgegangen, als man dort das Farbfernsehen auf einem Sonderkanal einführte.

Das Moskauer Farbfernsehen stand nicht nur in dieser Frage als Vorbild vor den Augen der Fernsehverantwortlichen. Im Gegensatz zur Bundesrepublik, wo 1967 das Farbfernsehen nach der (von Telefunken entwickelten) PAL-Norm aufgenommen wurde, hatte die DDR die auch in der Sowjetunion und den anderen sozialistischen Ländern übliche französische SECAM-Farbnorm übernommen. Mit den SE-CAM-Geräten konnten PAL-Sendungen auch künftig nur schwarz-weiß empfangen werden. Es verwundert deshalb kaum, daß man sich unter der DDR-Bevölkerung nicht eben um diese Fernsehgeräte riß. Ein Farbfernsehgerät nur für das noch magere Programmangebot des DFF war nicht eben attraktiv Innerhalb von zwei Jahren wurden gerade 10 000 der teuren Empfänger verkauft.

Auch den Umgang mit der Farbe wollte man in Moskau lernen. 1968 gingen Regisseure, Dramaturgen, Szenenbildner und Kameraleute für ein halbes Jahr zu einem Praktikum nach Moskau-Ostankino. Ein Studienaufenthalt in Frankreich, der ebenfalls geplant gewesen war, kam nicht zustande.

Dienstag Teil XI: „Eine gewisse Langeweile...“