Für mich dos musikalische Erlebnis des neuen Jahrzehnts: Ende letzten Jahres meldete sich nach fast 10jähriger Plattenpause Garland Jeffreys zurück. Was den 47jährigen New Yorker die Jahre über beschäftigt hat, macht das musikalisch und»politisch äußerst ehrgeizige Album' „Don't Call Me Buckwheat“ (RCA) deutlich: Jeffreys rechnet mit dem Rassismus ab - dies aber nicht mit scheinheiliger Plakativität oder Besserwisser-Attitüden, sondern durch .erschreckende Authentizität, die er seine« eigenen „Erfahrungen mit dem ganz normalen Rassismus“ nennt.
„Welcome to the world of love and hate, welcome to the world of black and white“ kommt Jeffreys nach dem wanderbaren Gospel-Auftakt „Moonshine in the cornfield“ zynisch zur Sache. Die Texte verpackt Jeffreys in einen ihm eigenen lässig-lockeren Rock-Reggae-Rhythmus, der nicht nur die Single-Auskopplung „Hail Hail
Rock n Roll zur Disco-Hymne geraten läßt. Mühelos wandelt er zwischen den Stilrichtungen und macht mit seiner eindringlichen Stimme sogar Rap-Gesang erträglich. Die Texte liegen auf deutsch und mit persönlichen Erklärungen bei: über die Rassentrennung beim Sport („Color Line“), seine Angst vor Angriffen in der Bahn („Murder Jubilee“). Die Schimpfwörter, die der „hellhäutige Farbige“ (Jeffreys über sich selbst) erfahren hat, listet er in „Don't call me buckwheat“ auf, bis einem vor Wut und Trauer fast die Freude am Hören vergeht.
So sehr sich seine Kollegen für modische Trends abquälen, um die Plattenindustrie anzukurbeln -Jeffreys hat das nicht nötig. Seine Musik bedarf keiner Anpassung und strahlt eine Zeitlosigkeit aus, von der Modeerfindungen wie MC Hammer oder Vanilla Ice nur träumen können.
MANFRED BÖHM
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/347471.zeitlose-wahrheiten.html