nd-aktuell.de / 12.08.1993 / Kommentare / Seite 2

Danke Alfred

MATHIAS WEDEL

bereitschaft unserer Beamten“, wie man sie registriert, desinfiziert, bis zur amtlichen Entscheidung stapelt und sicher verwahrt, um sie dann zur Abwechslung nicht ins Gas, sondern in ein „sicheres Drittland“ zu exmittieren, von wo aus sie natürlich „alle Rechte wahrnehmen können“. Die Mäuler der faschistoiden Bürokraten sabbeln nicht von Endlösung, aber von „Beschleunigung“ - ich werd' Dir Beine machen, Türke, Dich auf Trab bringen, Nigerianer (kurz „Nigger“). Die Sprache des Dritten Reiches war nie eine tote Sprache, vielleicht hat sie nur etwas ausgeruht. Und wir bereichern sie: Zum „Schutzhäftling“ haben wir den „Abschiebehäftling“ hinzuerfunden. Jede Generation will ihren Beitrag leisten.

Bei einer ordentlichen Dienstdurchführung - und daran hat es noch nie gehapert - flutscht es reibungslos an den Rampen, die in diesem Fall die Transit-

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letten, lungern auf den Fußböden und stürzen sich ohne jeden Stolz auf den Tee, den die Caritas verteilt. Die Zustände dort „entsprechen ohne Einschränkung einer Haftsituation“, zitiert DER SPIE-GEL. Aber eben auch der Ordnung.

Von Menschenrechten - wie noch in der Bundestagsdebatte zur Asylrechtsänderung - ist nirgendwo auch nur noch mit einer Silbe die Rede. Aber von Dienstvorschriften, Durchführungsbestimmungen, Verwaltungsakten: Die Brandenburger Regierung äußerte den Verdacht, der Berliner Senat wolle dem Umland seine Fremden aufhalsen; Bürgermeister bangen für ihre Gemeinden um die Kopfgelder, die sie aus Landeszuschüssen für die Unterbringung der Fremden bekommen. Jetzt müßten sie die Unterkünfte dichtmachen, maulen sie, die sie so lange vor dem Niederbrennen geschützt haben.

Die Deutschen sind erstmals seit der Euphorie der Wiedervereinigung wieder eine Volksgemeinschaft. Das haben wir nach der ganzen Tristesse aber auch mal gebraucht - einen nationalen Aha-Ef f ekt. Kohl hat eben noch immer ein Gespür dafür, wie man selbst dem eher linkslastigen Wechselwähler eine Freude machen kann. Die Gesamtschullehrer atmen auf: Na seht ihr, Jungs, es geht doch auch ohne Mord und Totschlag. Wie sehr Alfred Dregger doch recht hatte, als er aufrief, „endlich den Mut zu populären Maßnahmen“ zu haben! Die Aussonderung des Fremden ist populär bei den Wählern aller Parteien. Die Regierung hat auch der SPD, der PDS und den Grünen ein Problem abgenommen, mit dem die im Wahlkampf nichts anderes als eine unglückliche Figur gemacht hätten.