nd-aktuell.de / 31.12.1993 / Brandenburg / Seite 19

Zwei Häuser der ungemütlichen Kunst

Besucher erscheinen, begegnen sich in verzerrter Sicht im Licht

Katalog

Reoro

Die weitläufigen Räume der daad-galerie sind im besten Sinne des Wortes zugebaut: Gleich beim Eintritt sieht man sich einem Gestänge gegenüber, das, taillenhoch gehängt, den Raum horizontal in zwei Parzellen aufteilt. Unweigerlich wandert der Blick nach oben und entdeckt im Lichthof der Galerie, der Glaskuppel, einen hängenden-Garten, der fast paradiesisch wirkt im Vergleich zu den betont künstlichen Gesellen in den Räumen.

Ayse Erkmen, 1949 in Istanbul geboren und dort auch zur Bildhauerin ausgebildet, nennt ihre Ausstellung „Das Haus“. Es ist ungemütliche Kunst, die ernüchtert und gleichzeitig eine sagenhafte Ästhetik ausstrahlt. Die von der Decke hängenden Metallkonstruktionen zeichnen jeweils die Umrisse der fünf Räume nach: U-förmig, quadratisch oder länglich. An den Unterseiten der weiß lackierten Schienen befinden sich kaltweiße Neonröhren, die für seltsame Lichtverhältnisse sorgen: ein von unten kommendes Streulicht, das kaum Schatten entstehen läßt.

Wie Lichtschneisen schlagen sich diese rechteckigen Schwebegebilde durch den Raum, verweisen auf ihn, füllen ihn, grenzen ab. „Das Haus“ erhält so ein neues Gesicht. Es wird spröde und scheint sich gegen eine allzu selbstverständliche Vereinnahmung zu wehren.

Der Betrachter hat die Wahl, sich entweder dicht an dem Gestänge entlangzuwinden oder die Bannmeile der Lichtschranken zu unterlaufen und gebückt in die jeweilige Raummitte zu gehen. In beiden Fällen bedrängen die sperrigen Stangen, wirken bedrohlich. Das laute Surren, das in der Luft liegt, verstärkt die Unheimlichkeit.

Ursprünglich sollte ein im unter der Galerie gelegenen Cafe Einstein montiertes Mikrofon die Geräuschkulisse des Kaffeehauses in die Galerie übertragen. Derzeit aber ist aus, den .in den Ecken .der

Röhrenkonstruktionen angebrachten Lautsprechern nur dieses kontinuierliche, nervige Summen zu hören.

„Das Haus“ ist ein magisches, wenn auch kein verzaubertes. Zwei weitere inhaltliche Bezüge setzt die Ausstellung. Da die Galerie der einstige Wohnsitz des Filmstars Henny Porten ist, laufen in der ehemaligen Bibliothek Filme der Stumm- und Tonfilmschauspielerin. Palmen auf den Baikonen sollen an den Lichthof in der Galerie anknüpfen und auf den Gartenbetrieb der Restauration im

Snmmpr

Von direkten Ortsbezügen biographischer Art lebt Erkmens parallel laufende Installation „Zum Haus“ in der Dahlemer Galerie von der Tann. Hier sind zwei Räume mit TV-Bildschirmen ausgestattet, die, da sie direkt vor den Fenstern hängen, den Blick auf die Außenwelt ersetzen und ergänzen.

Die Videos sind ebenfalls Fensteraussichten, und zwar aus dem Wohnzimmer und der Küche der Künstlerin. Unveränderte Kameraeinstellungen zeigen je drei Stunden morgens und drei Stunden abends eine in voller Blüte stehende Kastanie - dazu „klingen“ Vogelgezwitscher - und eine befahrene Straße (die Autobahn nach Haiensee) hinter einem Birkenwäldchen. Ob Realität so einfach zu ersetzen ist, wie wir häufig glauben, ist eine der Fragen, die die Installation stellt.

Ein dritter Raum in der Villa der Galerie ist fast selbstironisch mit zwei kantigen Gipssäulen verfremdet, die an der Decke in rechtwinkligen Bögen auseinanderstreben die Originalsäulen stehen bei der Künstlerin zu Hause.