nd-aktuell.de / 17.02.1994 / Politik / Seite 2

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iESERBRIEFE

Mir hat im heutigen ND (12./13. Februar, Seite 3) Ursula Stielers Interview mit der Trümmerfrau Dresdens, Frau Erika Hohlfeld, gefallen. Auch wenn es einige wieder als DDR-Nostalgie denunzieren werden.

Ich erlebte diese Bombenangriffe als damals siebeneinnalbjähriger Dresdner Schuljunge. Beim Lesen wurden Erinnerungen an das Erleben im Luftschutzkeller wach: Das Dröhnen der Bombenflugzeuge, das schrille Pfeifen der nerabsausenden Bomben und dann das fürchterliche Krachen der Explosionen... Am nächsten Morgen zogen dann die Menschen aus der Stadt zu Tausenden an uns vorüber. Manche nur mit Decke und Nachthemd bekleidet, von Brandwunden übersät.

Nachbar Großmann unternahm in den nächsten Tagen den Versuch, ins Stadtinnere vorzudringen. Er kam bald zurück und erzählte von Tausenden Toten und der völlig

zerstörten Stadt. Ich höre ihn noch heute sagen: „Das baut in hundert Jahren niemand wieder auf.“

Aber schließlich war es die „Kraft der Schwachen“, wie Anna Seghers es einmal nannte, die, wie Erika Hohlfeld und Tausende Ungenannte, die pro Einwohner größten Trümmerberge aller durch Luftangriffe zerstörten deutschen Städte beseitigten und den Neuaufbau begannen. Es waren die vielen „Kleinen Leute“ der damaligen Generation, die über Jahre hinweg an den Wochenenden unentgeltlich Hand anlegten. Ich lebte bis kurz nach meinem neunzehnten Geburtstag noch in Dresden und nahm an manchem Aufbaueinsatz teil, meist im Dresdner Zoo.

Daß sich das Leben in Dresden von Monat zu Monat mehr normalisierte, verdanken wir den vielen Helfern und nicht denjenigen, die heute alles besser wissen und an den letzten neunundvierzig Jahren auch nicht einen Faden Gutes lassen wollen. Jürgen Falke, 15344 Strausberg