nd-aktuell.de / 17.02.1994 / Politik / Seite 10

Protest gegen Bildungsabbau

Im letzten Herbst erregte der niedersächsische Kultusminister Rolf Wernstedt (SPD) die Gemüter zahlreicher Lehrer und Schüler. Wegen der allgemein desolaten Haushaltslage und massiv steigender Schülerzahlen meinte Wernstedt, die Unterrichtsversorgung an den niedersächsischen Schulen nur noch durch eine Verlängerung der Lehrerarbeitszeit bis zu einer Stunde wöchentlich sicherstellen zu können, Ungeachtet der Proteste der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die eine qualitative Verschlechterung des Unterrichtes befürchtet, trat der Erlaß am 18. Januar in Kraft.

Wie Heike Stark, eine Sprecherin der GEW, mitteilte, sei der Öffentlichkeit dabei jedoch nicht bekannt, daß es sich bei der Lehrermehrarbeit nur um einen Unterpunkt eines Neun-Punkte-Programms des Kultusministeriums handele. So beabsichtige die Lan-

desregierung, in naher Zukunft auch die Klassenfrequenzen zu erhöhen, um 280 zu besetzende Stellen einzusparen. Des weiteren soll in den Berufsschulen die Anzahl der Schülerinnen pro Lerngruppe angehoben werden.

Die Arbeitszeitverlängerung könne man nicht mehr verhindern, sie sei bereits beschlossene Sache, „aber das ist nur der Anfang, und der Tendenz zum rigorosen Bildungsabbau muß man vorbeugen , sagte Heike Stark.

Dagegen, und weil das Kultusministerium nicht bereit sei, an einem Runden Tisch über Aspekte und Perspektiven der Ausbildungssituation zu verhandeln, will die GEW am heutigen Donnerstag ein Zeichen des Protestes setzen, indem sie die Lehrerinnen zu einer befristeten Arbeitsniederlegung auffordert.

Der Bund der Steuerzahler hatte den Kultusminister im

Vorfeld dazu aufgerufen, die Aktion mit einer gerichtlich erwirkten einstweiligen Verfügung zu stoppen. Streikähnliche Aktionen seien nach dem Beamtengesetz den Lehrerinnen untersagt, hieß es in einer Mitteilung des Bundes. Nach einer juristischen Prüfung, so verlautete aus dem Ministerium, habe Wernstedt diese Möglichkeit jedoch verworfen; er hofft nun auf eine „möglichst geringe Teilnehmerzahl“ und droht gleichzeitig mit Lohnkürzungen für Streikende, Ob weitere Disziplinarmaßnahmen ergriffen würden, stünde noch nicht fest, sagte Werner Niermann vom Kultusministerium,

Als Wernstedt jedoch selbst noch im aktiven Schuldienst stand, mißbilligte der heutige Minister derartige Sanktionen - die GEW will ihn nun beim Wort packen.

STEFANIE HILBICH NICO SANDFVCHS