nd-aktuell.de / 17.02.1994 / Brandenburg / Seite 17

Trip auf den Spuren der Heideläufer

Auf unserer Wanderung „Rund um die Kranichsberge“ am 27. März pflegen wir den schönen Brauch, uns ein wenig mit Land und Leuten, Landschaft und Geschichte vertraut zu machen.

Das im Grünheider Seengebiet gelegene Woltersdorf, heute eine 5000-Seelen-Gemeinde, hat als bewohnte Ortschaft schon mehr als 800 Jahre auf dem Buckel. Infolge des Reichtums an Wäldern und Seen waren seine ersten Bewohner Fischer, Holzhauer und Heideläufer. Bei Letzteren handelt es sich um Forstaufseher, die darauf achteten, daß im Wald kein Raubbau betrieben wurde.

Vorläufer der Schleusenanlagen, die wir auf unserem Frühjahrstrip besichtigen, waren schon um 1500 entstanden. Sie stellen die Wasserverbindung zwischen dem Abbaugebiet des Rüdersdorfer Muschelkalks und Berlins dar. In dieser Zeit siedelten sich in

Woltersdorf auch die ersten Schifferfamilien an, von denen vor etwa 100 Jahren noch 30 ansässig waren.

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts hatten die Eisenbahnverbindung nach Erkner und die Gründung der Rüdersdorfer Dampfschifffahrtsgesellschaft wesentlich zur Entwicklung der Gemeinde Woltersdorf zum Kur-und Ausflugsort beigetragen, vor allem dann in den „goldenen“ zwanziger Jahren. Vielbesucht waren schon damals die Kranichsberge mit ihrem Aussichtsturm. Der jetzige, erbaut 1960, wird am Wandertag extra für uns geöffnet sein. Gegen einen Obulus zugunsten des Woltersdorfer Verschönerungsvereins können wir ihn besteigen, um einen herrlichen Rundblick zu genießen.

Nach dem Abstieg von den Kranichsbergen über den Zeltplatz „Schwarzer Stubben“ erreichen wir den Fontaneweg. Diese reizvolle Wan-

derstrecke war vor mehr als 110 Jahren vom damaligen Erkneraner Verschönerungsverein angelegt worden.

Fontane war in dieser Gegend mehrmals in der Sommerfrische. . In seinem Werk spielen jedoch Woltersdorf und Erkner kaum eine Rolle. Ganz anders in dem von Gerhart Hauptmann. Dem gefielen Erkner und seine Umgebung, die reine Seeluft und der würzige Kiefernduft so gut, daß er 1885 bis 1889 hier Wohnung genommen hatte.

Dort, wo wir auf unserer Tour die Mündung der Löcknitz in den Flakensee erkennen, war im Februar 1887 der Schiffsbauer Eduard Zieb mit Frau und Kind ins Eis eingebrochen und ertrunken. Hauptmann verabschiedete dieses traurige Ereignis literarisch in seiner ersten Novelle „Fasching“.

Am gegenüberliegenden Ufer des Flakensees erkennen

wir Schornsteine von Fabrikanlagen, und wenn der Wind ungünstig steht, stinkt es nach Chemie. Ja, Erkner hat auf seinem Territorium zwei Chemische Werke. Eines davon geht als „Teerproducten-Fabrik“ auf das Gründungsjahr 1861 zurück. 1910 wurde hier, erstmals in Europa, mit der industriemäßigen Produktion härtbarer Phenolharze begonnen, nach dem belgischen Erfinder Leo Baekeland „Bakelite“ genannt. Dieser Kunststoff fand in der Köpenicker Elektroindustrie reißenden Absatz. Zu DDR-Zeiten kamen übrigens aus Erkner die Rohstoffe für die Karosserie des „Trabant“

Sie, verehrte Leser, mögen s.ich das merken. Die alten Hasen unter den ND-Wanderern wissen, warum! Wir starten am 27 März zwischen 8 und 11 Uhr am S-Bahnhof Wilhelmshagen.

FRITZ SCHRÖDER