nd-aktuell.de / 16.09.1994 / Politik / Seite 1

Fliegerbombe explodiert – Tote, Schwerverletzte, große Schäden

Tragisches Unglück gestern in Friedrichshain / Menschen unter Trümmern

Die Explosion riß Häuserwände herunter ND-Foto: Robert Grahn

Berlin (ND-Kollewe). Eine schwere Explosion erschütterte am Donnerstagnachmittag die Gegend um den S-Bahnhof Frankfurter Allee. Auf einer Baustelle neben dem Wohnhaus Pettenkofer Straße 4 detonierte um 16.40 Uhr bei Bohrarbeiten für Spundwände eine Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg. Berlins Polizeipräsident Saberschinsky informierte über den Fund von größeren Metaüteilen, die mit Sicherheit auf eine Bombe schließen ließen. Drei Tote forderte das Unglück. Gegen 19 Uhr suchten die Einsatzkräfte noch immer nach zwei Bauarbeitern, die man unter einem umgestürzten Bagger im Erdreich vermutete. Sieben zum Teil Schwerverletzte wurden mit Hubschraubern in umliegende Krankenhäuser gebracht.

Die Unglücksstelle bot ein Bild des Grauens. Die Wucht der Explosion hatte zwei riesige Löcher in die Giebelwand des Hauses gerissen. Leichenteile wurden bis in die dritte, vierte Etage sowie auf die etwa 150 Meter entfernte Baustelle Ringbahnhalle geschleudert, informierte der Polizeipräsident. Die Verletzten seien direkt abtransportiert worden. Bis in die einbrechende Dunkelheit hinein loderte noch eine Stichflamme aus einer beschädigten Gasleitung. Mit schwerem Gerät räumte die Feuerwehr den zerstörten und umgestürzten Bagger weg.

Den Anwohnern stand die Erschütterung im Gesicht. „Das Haus sprang regelrecht in die Höhe“, sagte eine Bewohnerin. Parkende Autos wurden schwer beschädigt. Trümmer und Bauschutt bedeckten die Pettenkofer und anliegende Straßen. Steine beschädigten sogar die Kanzel eines 200 Meter entfernten Baukrans sowie Fensterscheiben und Dächer von Wohnhäusern in der Frankfurter Allee.

Uhrmacher Klaus Heibig, der sein Geschäft gleich nebenan hat, war noch immer schockiert. „Menschen lagen auf der Straße, Leute flüchteten aus dem Haus, Trümmer prasselten, es war furchtbar.“ Der Inhaber der „Textil-Truhe“, Manfred Widder, der sein Geschäft im Erdgeschoß des schwer beschädigten Hauses hat, sah buchstäblichschwarz. „Nach dem fürchterlich Knall war mein Landen voller Qualm. Sekunden zuvor kam noch eine Frau herein und wollte eben weiße Socken kaufen. Sekunden nur. .“

Rund 150 Feuerwehrleute, etwa 300 Polizeibeamte, Mitarbeiter des Technischen Hilfwerkes, von Gasag und Ebag, Helfer vom Roten Kreuz mit Spürhunden waren vor Ort. Auf der Frankfurter Allee drehte sich kein Rad. Aus Sicherheitsgründen mußte der Betrieb auf der U5 vorübergehend eingestellt werden. Für die Bewohner des Unglückshauses muß eine neue Bleibe gesucht werden. „Das Haus muß abgetragen werden“, sagrte Feuerwehrsprecher Klaus Ziegler.