nd-aktuell.de / 01.10.1994 / / Seite 11

Schlieffen-Plan

Graf Schlieffen war sein Signum - in raumgreifenden deutschen Lettern. So wuchtig schrieb er sich' auch in die Geschichte ein - der Preußische Generalfeldmarschall Alfred Graf von Schlieffen (1833 bis 1913), Erfinder des Schlieffenplanes und eigentlicher geistiger Urheber des verhängnisvollen strategischen Konzepts eines deutschen Zweifrontenkrieges, der in diesem Jahrhundert gleich zweimal scheiterte, rund siebzig Millionen Wellkriegsopfer verursachte und zu beträchtlichen Gebietsverlusten in beiden Kriegen an beiden Fronten führte. Schlieffen war es, der dem Großen Generalstab, dem letzten deutschen Kaiser und der bornierten Militärkaste die ebenso absurde wie verbrecherische Idee eintrichterte, Deutschland könne einen Zweifrontenkrieg gewinnen, indem es zuerst in einer großen Zangenbewegung Frankreich militärisch bezwinge und dann mit allen Kräften Rußland.

Schlieffen selbst hat das Fiasko seines militärstrategischen Konzepts nicht mehr erleben müssen. Doch welcher Graf von Schlieffen mochte nach 1945 noch diesen Namen tragen? Mindestens einen soll es geben: Albrecht Graf von Schlieffen, Jurist in der Stuttgarter Zentrale der Daimler-Benz AG. Wie Albrecht v. S. mit dem Alfred v. S. verwandt ist, wissen wir nicht. Geistesverwandt ist er immerhin, jedenfalls ein Liebhaber der großen Zangenbewegung: Albrecht v S. brachte die FAZ, das „Zentralorgan deutscher Latifundistas“, auf die Gorbatschow-Stone-Idee mit dem Brief zugunsten von „Alteigentümern“. Ein Votum aus Moskau via London -* echter Zweitfrontenkrieg gegen jene „lieben Landsleute“ in den neuen Bundesländern, deren Eltern und Großeltern 1945 aus ehemaligen deutschen Ostgebieten (von Haus und Hof, von Grund un'd Boden) vertrieben und in der SBZ mit Bodenreformland teilfentschädigt wurden.

Was die BERLINER ZEI-TUNG 5 (am 9. Söpteniber 1994, Seite 5) nicht zu wissen schien, ist den Daimler-Benz-Konzernchefs offenbar gut bekannt: die geschichtliche Hypothek des Namens Graf von Schlieffen. Deshalb betonte eine Daimler-Benz-Sprecherin, ihre Firma „forciere“ die „Rückübertragungsansprüche“ (zwölf Millionen Quadratmeter ehemaligen DDR-Bodens will die Daimler-Benz AG haben!) nicht. Die Gorbatschow-Stone-Zangenbewegung des Grafen von Schlieffen sei nicht im Namen von Daimler-Benz erfolgt. Wörtlich: „Graf Schlieffen hat persönliche, familiäre Ansprüche“. Die aber dürften in seinem Falle schon 1919 in Versailles, spätestens aber 1945 in Potsdam verwirkt gewesen sein. Darüber könnte sich ja mal der Jurist Graf von Schlieffen mit dem Juristen Gregor Gysi unterhalten, öffentlich, bei Erich Böhme in SAT. 1-„Talg im Turm“. HANS MOSES