nd-aktuell.de / 31.03.1995 / Kommentare

Nach welchem Recht?

Fünf Jahre Haft sprach ein Berliner Schwurgericht gegen die Richterin am Obersten Gericht der DDR, die 77jährige Helene Heymann, aus. Das bisher härteste Urteil gegen eine DDR-Juristin. Mit ihrer Mitwirkung an Todesurteilen in den Jahren 1954/55 habe sie DDR-Recht gebeugt, meint 40 Jahre später ein bundesdeutsches Gericht. Hateie das? Das Verfahren konnte den Beweis nicht antreten.

Die damals Verurteilten hatten aus Sicht des damals geltenden Rechts schlimmste Verbrechen gegen die DDR begangen: Spionage für den Erzfeind im Westen, Sabotage gegen Lebensnerven der DDR. Weil dieser kleinere und schwächere deutsche Staat zu dieser Zeit tatsächlich einen Überlebenskampf führte, griff er drakonisch zu, wenn er sei-

ne Existenz gefährdet sah nicht nach bundesrepublikanischem Recht, sondern nach eigenem.

Todesurteile lösen heute Schauder aus. Doch hingerichtet wird bis in unsere Zeit und in Regionen, die als zivilisiert und demokratisch gelten. In den USA sogar Jugendliche. Und so manch einer sitzt hierzulande in seinem Kämmerlein mit dem stillen Wunsch, daß das Fallbeil wieder fallen möge. Freilich nicht für jene Taten, die die DDR einst mit dem Tode strafte.

Das alles soll den Blick nicht davon wegführen, daß in der DDR durch die Justiz auch elementar Recht verletzt, daß auf Wunsch der Parteiführung abgeurteilt wurde. Rechtsverletzungen von einst müssen geahndet werden. Auch heute noch. Nicht zuletzt deshalb, weil begangenes Unrecht ein Sargnagel für den Staat DDR war.

PETER KIRSCHEY