Hintergrund Stephanie Föhlinger, Foto: Marcus Lieberenz
Talentiert, aber vom Regisseur alleingelassen - Dirk Eggestein. Im die gar nichts zu sääeri hätte “ '' ?“.,!'
Der Schauspieler Feuerbach, der vier Jahre in einer Anstalt verbrachte, kommt zum lang ersehnten Vorspiel an eine bedeutende Bühne, zu einem bedeutenden Regisseur und - der Regisseur ist nicht da. Statt dessen rekelt sich an einem Tischchen, nervtötend Bleistifte anspitzend, ein Assistent, der weder vom Theater, noch von den Nöten einer Schauspielerseele und -Persönlichkeit die geringste Ahnung hat. Für Feuerbach wird aus dem Vorspiel eine Art Musterung, wie man sie vom Militär oder vom Psychiater kennt.
Durch die Situation und seine eigenen Neurosen gezwungen, wirft er sein Innerstes auf die Bühne, dem Herrn Assistent und den Zuschauern zum Fraß vor, und die schlagen sich gemeinsam in ihn, wie die Geier in Prometheus. Schließlich werden sie das Gefressene, damit ihn, Feuerbach, mit teuflischer Kühlheit wieder auskotzen und in seinem Elend liegen lassen. Sie haben sich an seiner Kunst geweidet, ohne von ihm wissen zu wollen. Jeder Auftritt ist ein kleiner Mord...
„Ich, Feuerbach“ von Tankred Dorst ist mehr als nur die Geschichte eines normalen verrückten Schauspielers. Es erzählt auch von der irre machenden Dauerinszenierung unserer Existenz. Regisseur Robert Mingau hat das in der
Studiobühne, Reinickendorfer Straße, nicht bemerkt. Er problematisiert nicht, läßt den Text, ohne auf Metaphern zu achten, einfach aufsagen, arbeitet ohne jede Dramaturgie.
Vollständig peinlich wird es, wenn er selbst noch als Assistent auftritt, selbst Schauspiel mimt. Zum Glück für diese Dorst-Vernichtung stürzt sich Dirk Eggestein als Feuerbach
unheimlich ambitioniert in seine Rolle. Doch kann unbezweifelbares Talent ohne einen Regisseur auch noch kein Theater leisten. So bietet Eggestein den Zuschauern bestenfalls ein Vorspiel zum Theater, Vor-Theater, Theaterverhöhnung.
So verstandenes Theater reiht sich würdelos neben die Neuentdeckungen der Zu-
schauerverdummung auf den Mattscheiben. Neben Entertainment und Infotainment gibt es nun auch Theatainment. Diese Entdeckung ist der stolze Verdienst von Robert Mingau, der auf Feuerbach hätte hören sollen, als der ihn im Stück mehrmals ersuchte, von allen Regieambitionen die Finger zu lassen.
MARIO STUMPFE
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/569683.jeder-auf-tritt-ist-ein-kleiner-mord.html